DFB-Frauen dank Ann-Kathrin Berger im Olympia-Halbfinale gegen ...

Als am Samstagabend die Seitenwahl für das Elfmeterschießen anstand und Kapitänin Alexandra Popp ihrer Torhüterin die Frage zurief, auf welches Tor lieber geschossen werden soll, zeigte Ann-Katrin Berger auf das vor der Virage Nord und begründete ihre Wahl gleich mit: „Da sind mehr Deutsche!“ Wenige Minuten später durften sowohl die Fans mit den schwarz-rot-goldenen Fähnchen hinter dem Tor als auch die Spielerinnen neben dem Tor jubeln.

DFB-Frauen - Figure 1
Foto FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung

Denn die 33 Jahre alte Berger, die erst zum Turnier in Frankreich Merle Frohms als Nummer eins ablöste, hielt für die Fußball-Nationalmannschaft im olympischen Viertelfinale gegen Kanada nicht nur zwei Elfmeter, sie verwandelte den letzten für Deutschland in der Hitze von Marseille auch noch eiskalt selbst. Weil die Torhüterin so glänzte, störte der Fehlschuss von Sydney Lohmann im Shootput nicht weiter. Am Dienstag warten die USA im Halbfinale. „Wir hatten die Chance, den Sack zuzumachen, gehen über 120 Minuten ins Elfmeterschießen – das macht mich fertig“, sagte Popp.

Schüller vergibt erste Chance

Im wieder nur spärlich, mit nicht einmal 10.000 Zuschauern besetzten Stade Vélodrome, wo die Deutschen schon in der Vorrunde Australien locker besiegt und gegen die USA böse verloren hatten, war der Start ins Spiel von äußerster Hektik geprägt. Erst nach zehn Minuten besannen sich beide Teams auf ihre fußballerischen Qualitäten und verloren den Ball, der fast ununterbrochen wild über den Platz flog, nicht schon nach kurzer Besitzphase wieder.

Kaum hatten die Deutschen ihre Ruhe gefunden, wurde es erstmals gefährlich. Nach einer Flanke von Janina Minge aus dem Halbfeld kam Lea Schüller, die trotz einer Schulterprellung rechtzeitig spielfit geworden war, an den Ball. Ihre Annahme mit dem rechten Fuß war nicht optimal, ihr Abschluss mit links erst recht nicht; sie vergab die gute Chance, indem sie den Ball am Tor vorbeilöffelte (11.).

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Eine noch bessere Möglichkeit eröffnete sich wenig später Klara Bühl. Nachdem Jule Brand Fahrt aufgenommen hatte im Mittelfeld und per Doppelpass mit Sjoeke Nüsken zentral vor dem kanadischen Tor auftauchte, legte sie nach links zu Bühl. Deren Schuss wehrte Torhüterin Kailen Sheridan jedoch mit dem rechten Bein so gerade noch ab; den Abpraller brachte die mitgelaufene Felicitas Rauch nicht unter Kontrolle.

Es sollte die größte Chance der ersten Halbzeit bleiben, da auch die Kanadierinnen nur einen laschen Schuss über den deutschen Kasten durch Quinn zustande brachten (23.). Das lag auch an der sehr aufmerksamen Spielweise der Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) in der Defensive, in der die zuletzt angeschlagenen Verteidigerinnen Marina Hegering und Kathrin Hendrich im Zentrum wieder starteten.

So gut der deutsche Vortrag im hinten Drittel des Spielfeldes war, so ungenau war er im vorderen. Es fehlte einfach an der letzten Genauigkeit. Das monierte auch Bundestrainer Horst Hrubesch bei einer Trinkpause nach 35 Minuten bei am frühen Abend immer noch 35 Grad Temperatur in Südfrankreich. Viel fiel den Deutschen vor der Halbzeit aber nicht mehr ein, einzig die langen Bälle von Torhüterin Berger leiteten die Angriffe ein.

Doch dieses Muster wirkte auf Dauer ein wenig zu einfallslos. Da sich auch zu Beginn der zweiten Hälfte nichts änderte und Kanada durch einen Kopfball auf das Tornetz von Vanessa Gilles (61.) die erste halbwegs gute Chance hatte, wechselte Hrubesch frische Kräfte ein: Lohmann und Vivien Endemann kamen für Nüsken und Bühl. Die hohen Temperaturen forderten sichtlich ihren Tribut.

Besser wurde das deutsche Spiel nicht, im Gegenteil. Kanada fand Lücken im Mittelfeld. Der Schuss von Adriana Leon ging vorbei (68.), die von Evelyne Viens begrub Berger unter sich (70. und 72.). Die größte Rettungstat vollbrachte die Torhüterin dazwischen, als sie nach Fehler von Hendrich den Versuch der auf sie zulaufende Leon mit einem starken Reflex mit dem linken Bein abwehrte. Nun brannte es förmlich minütlich im Strafraum.

Die folgende Trinkpause kam den Deutschen gerade recht, doch auch danach rauschte der Ball, den Leon knapp verpasste, gleich bei der nächsten kanadischen Chance durch den deutschen Strafraum (78.). Viens, die wie Leon nach knapp einer Stunde eingewechselt worden war, wirbelte weiter und schloss kurz danach aus der Drehung ab. Konnte das wirklich gutgehen für die platten Deutschen, die wie paralysiert wirkten?

„Entweder die oder wir“

Es konnte. Und beinahe hätten die deutschen Frauen in letzter Minute der regulären Spielzeit selbst zugeschlagen. Eine Flanke von Brand wurde gefährlich, weil Kanadas Torhüterin Sheridan am Ball vorbeiflog; Schüller aber auch nicht ans Spielgerät kam. Weil auch eine Ablage der Stürmerin kurz darauf keine Abnehmerin fand, blieb es beim 0:0 nach der regulären Spielzeit – und die Mannschaften mussten in die Verlängerung.

Ehe die begann, wurden kalte Getränke gereicht – und Hrubesch schärfte in einer kurzen Ansprache nochmal die Sinne der Seinen, ehe er sie vor die Wahl stellte: „Entweder die oder wir“, sagte der Bundestrainer. Die Antwort: Wir! Kanada blieb zwar zunächst die bessere Mannschaft, Ashley Lawrence schoss, aber Berger parierte (94.). Auf der anderen Seite wurde Brand nach einer Ecke im Fünfmeterraum gerade noch gestört (105.+2).

Die zweite Halbzeit der Verlängerung begann mit einer Schrecksekunde, als Berger, die wieder einen langen Ball schlagen wollte, die sich anlaufende Viens traf, doch Felicitas Rauch rettete mit dem Kopf in höchster Not, bevor die Kanadierinnen gen verwaistes Tor streben konnten (107.). Auf der anderen Seite köpfte Lohmann eine Freistoßflanke von Giulia Gwinn auf die Latte (114.). Die Qualität der ungenutzten Chancen war enorm in diesem Fußballkrimi.

Es ging im Wortsinn hin und her. Senß, die für Endemann kam, traf den Ball nach einer Ecke nicht richtig (115.), auf der anderen Seite strich das Ablenkmanöver von Leon knapp am Tor vorbei (116.). Es ging ins Elfmeterschießen, in dem Deutschland das bessere Ende hatte, weil Berger zur Fußballheldin aufstieg. „Wir haben eine Maschine im Tor“, sagte Popp im ZDF. „Die Elfmeter sind ihre Paradedisziplin. Dass sie ihn noch eiskalt selber reinmacht, Chapeau!“

DFB-Frauen wieder gegen USA

Im Halbfinale am Dienstag (18.00 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zu Olympia, in der ARD und bei Eurosport) in Lyon bekommt es die DFB-Elf wieder mit den vierfachen Olympiasieger aus den USA zu tun. Trinity Rodman, die Tochter des früheren Basketballers Dennis Rodman, schoss am Samstagnachmittag beim 1:0 nach Verlängerung gegen Japan in Paris das einzige Tor (105.+2). Die DFB-Frauen hatten in der Vorrunde in Marseille chancenlos mit 1:4 gegen die USA verloren.

Im anderen Halbfinale am Dienstag (21.00 Uhr) in Marseille trifft Spanien auf Brasilien, das Frankreich durch ein Tor von Gabi Poretilho (82.) besiegte. Die Weltmeisterinnen hatten im Viertelfinale mit Kolumbien sehr viel Mühe und setzten sich erst im Elfmeterschießen durch. Nach dem überraschenden Rückstand durch Tore von Mayra Ramirez (12.) und Leicy Santos (52.) retteten Jenni Hermoso (79.) und Irene Paredes (90.+7) Spanien in die Verlängerung, ehe auch hier das Elfmeterschießen entschied.

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