Ich sehe in Deutschland immer öfter, wovor ich aus dem Iran ...

Deutschland

Es war eine schreckliche Nacht. Ich konnte nicht schlafen, dabei schlafe ich normalerweise wie ein Stein. Aber in letzter Zeit merke ich, wie die letzten zwei Jahre mich körperlich einholen: Die Repression gegen die Menschen im Iran, die Passivität der demokratischen Länder gegenüber dem Regime, der Terror am 7. Oktober, der Antisemitismus, der danach auf der ganzen Welt aufflammte. Der Krieg, die Angst um meine Kinder hier, um meine Familie im Iran und Israel.

Die Kopfschmerzen in dieser Nacht wurden immer schlimmer, mir war übel. Mein Sohn freute sich so sehr, nach den Sommerferien wieder in den Kindergarten zu gehen, und ich hatte ihm versprochen, mit der Tram zu fahren – seine Lieblingsroute. Er liebt es, meine zu großen Kopfhörer aufzusetzen, Geschichten zu hören und dabei aus dem Fenster zu schauen, während er meine Hand hält.

Doch ich wusste, dass ich es nicht schaffen würde. Ich dachte daran, wie enttäuscht er sein würde. Am Morgen musste ich ihm erklären, dass ich ihn nicht bringen kann. Er war verärgert, natürlich. Ich meldete ihn im Kindergarten ab und schlief dann für ein paar Stunden. Als ich aufwachte, gab es Nachrichten, Anrufe, ob es uns gut gehe. Ich war verwirrt. Dann las ich die Nachricht eines Freundes: Ein Islamist hatte versucht, das israelische Konsulat anzugreifen – direkt an der Strecke, auf der wir mit der Tram gefahren wären, zur gleichen Zeit.

Die Gefühle überwältigten mich: Erleichterung, Wut, Zweifel. Zum Glück war niemand vor Ort, aber der Gedanke, dass es uns hätte treffen können, ließ mich erstarren. Meine Tochter, die noch Ferien hatte, wollte wie so oft Eis kaufen gehen. Aber ich ließ sie nicht. Sie versteht die Welt nicht mehr, und ich versuchte ihr zu erklären, was passiert war.

Mit ihren neun Jahren weiß sie schon zu viel, das war unvermeidbar. Ich flüsterte ihr zu: »Ein Terrorist war in der Nähe unterwegs. Ich weiß nicht, ob da noch andere sind.« Sie nickte und verstand sofort, dass der fünfjährige Bruder nichts davon erfahren sollte. Den ganzen Tag über hörte ich in meinem Kopf die Rufe von »Globalize the Intifada«, und ich konnte kaum fassen, dass ich hier, in Deutschland immer öfter, genau dem begegnete, wovor ich aus dem Iran geflohen war. Ich frage mich, ob ich meine Kinder davor wirklich schützen kann.

Die Autorin ist Journalistin für den Bayerischen Rundfunk.

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