Fachkräfte aus Albanien: Bloß weg, nach Deutschland!

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Braindrain Fachkräfte aus Albanien: Bloß weg, nach Deutschland!

Deutschland - Figure 1
Foto Capital - Wirtschaft ist Gesellschaft

Pfleger Klevis Zahoaliaj bereitet eine Infusion vor. Dass er für jeden Patienten neue Einweghandschuhe trägt, war in Albanien nicht selbstverständlich

© Jonas Niesmann

von Jonas Niesmann

07.09.2024, 09:30 6 Min.

In Albanien suchen junge, gut ausgebildete Menschen nach beruflichen Perspektiven. Deutschland fehlen Fachkräfte. Haben also alle gewonnen? Nicht ganz

Sotir Zahoaliaj sitzt vor einem Café, dem einzigen in Brataj. Im Schatten der ausladenden Platane ist die Hitze des Vormittags noch erträglich. Auf dem runden Holztisch vor ihm steht ein Glas mit Raki – dem klaren Obstschnaps, der in Albanien zu jedem guten Gespräch dazugehört. 

Es ist ein schönes Dorf in den albanischen Bergen, ein paar große, alte Bäume, ein kleiner Dorfplatz. Einwohner: weiß niemand so genau. Sotir Zahoaliaj ist 73, und seit 73 Jahren lebt er in Brataj. Nebendran strudelt ein Fluss durch das Tal, das türkisblaue Wasser sucht sich seinen Weg zwischen glatt geschliffenen Felsblöcken und bildet dabei tiefe Becken, die zum Schwimmen einladen. Darüber schwingt sich eine jahrhundertealte Steinbrücke. Die Luft ist heiß und riecht nach Rosmarin und Zistrosen.

Deutschland - Figure 2
Foto Capital - Wirtschaft ist Gesellschaft

Die schönste Zeit, sagt Sotir Zahoaliaj, sei der Sommer. Dann kommen die Söhne und Töchter nach Hause, und Brataj ist voller Leben. Unten am Fluss wird gegrillt und gebadet, sich gesonnt und gesprungen. Jeden Sommer, drei oder vier Wochen im Jahr. Den Rest der Zeit sitzt Sotir Zahoaliaj am Tisch unter der Platane. Es sei einsam im Dorf ohne die jungen Leute, sagt er. Aber auch er habe seinem Sohn geraten zu gehen.

Sotir Zahoaliaj vor dem Café im albanischen Dorf Brataj. Er ist der einzige Gast

© Jonas Niesmann

Nirgendwo sonst in Europa verlassen so viele junge Menschen ihre Heimat wie in Albanien. 36.000 waren es alleine im Jahr 2022, bei einer Bevölkerung von 2,7 Millionen. Sie sehen keine Perspektive im Land; zu niedrig sind die Löhne, zu allgegenwärtig die Korruption. Jeder dritte, der in Albanien geboren wurde, lebt inzwischen im Ausland: in Italien, Griechenland, aber zunehmend auch: Deutschland.

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