Die Deutschland-App

Schlüssel zur Verwaltungsmodernisierung? Die Deutschland-App

21.11.2024 Ein Gastbeitrag von Elisabeth Schulze-Hulit 6 min Lesedauer

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In der öffentlichen Verwaltung herrscht immer noch Stillstand bei der durchgängigen Digitalisierung. Initiativen wie das Onlinezugangsgesetz (OZG) oder „Einer für Alle“ (EfA) konnten den erhofften Digitalisierungsschub bislang nicht auslösen. Nun fordern die Grünen eine Deutschland-App, die den „entscheidenden Wandel“ bringen soll.

Die Einführung einer Deutschland-App könnte also ein wichtiger Schritt in Richtung einer modernen Verwaltung sein.

(© MH - stock.adobe.com)

Eine zentrale App für Verwaltungsdienstleistungen klingt auf den ersten Blick tatsächlich vielversprechend. Sie könnte einen wesentlichen Schritt zur Verbesserung des Zugangs zu öffentlichen Dienstleistungen darstellen, indem sie eine komfortable und nutzerfreundliche Plattform bietet.

Tatsächlich gibt es bereits einige erfolgreiche Beispiele auf kommunaler Ebene: Bonn, Paderborn, Mannheim und weitere Städte setzen etwa auf die Citykey-App, eine Smart City App der Deutschen Telekom. Andere Gemeinden haben eigene Apps entwickelt. Diese Anwendungen ermöglichen es den Bürgerinnen und Bürgern, eine große Bandbreite an Dienstleistungen bequem mobil zu nutzen, etwa die Zulassung von Fahrzeugen, Terminvereinbarungen bei den lokalen Behörden oder Anträge für Genehmigungen und Sozialleistungen. Zudem können die Städte so einen zentralen Ort schaffen, an dem sich die Bürger schnell und einfach über die wichtigsten Aspekte und Termine ihrer Stadt oder Gemeinde informieren können. Handlich gebündelte Services verbessern auch die gefühlte Bindung der Bürger zu ihrem Wohnort.

Mehr als Fassade

Gleichwohl: Die Lösung der Digitalisierung in Deutschland bedeutet mehr, als ein digitales Frontend zu schaffen. Um eine echte Erleichterung für Bürger und Unternehmen zu bieten, müssen die dahinterliegenden Prozesse durchgängig digitalisiert und miteinander verknüpft sein. Es braucht also ein durchgängiges Backend, das die Interaktionen der Nutzer bis in die Verwaltung hinein sicherstellt.

Wir können uns das wie bei einem Gebäude vorstellen: Die App agiert im Prinzip als Schaufenster. Die Nutzer erhalten Informationen darüber, welche Leistungen eine Verwaltung anbietet und wie sie diese in Anspruch nehmen können. Die App sollte zudem ermöglichen, Anträge einzureichen, mit der Behörde zu kommunizieren und Termine zu vereinbaren. Wie die Türklingel schürt die App die Hoffnung, dass man auf Knopfdruck eine schnelle Reaktion erhält. Wenn aber die ganze Front nur eine Fassade ist, verläuft das alles im Nichts. Denn dann fehlt die Anbindung an den tatsächlichen Dienst, der dahintersteckt.

Unglücklicherweise haben wir uns in Deutschland über die föderalen Ebenen hinweg noch nicht geeinigt, wie das funktionsfähige Haus „digitale Verwaltung“ aussehen soll. Aber wir haben bereits Räume gebaut, damit es voran geht – um dann festzustellen, dass die Leitungen schlecht verlegt sind, die Wasserrohre nicht zum Abfluss führen und es kein Dach gibt.

Bruchstellen

Um im Bild zu bleiben: Hierzulande machen wir zwar Vorschriften, wie ein Haus zu bauen ist, haben aber weder Bau- noch Zeitplan – und die Zuordnung der Gewerke bleibt unklar. Übertragen auf die Verwaltung heißt das: In vielen digitalen Prozessen gibt es noch Bruchstellen. Registermodernisierung, interoperable Schnittstellen, fehlende Cloudnutzung und ungeklärte Supportstrukturen sind nur einige Beispiele. Die große Anzahl der Beteiligten mit ihren unterschiedlichen Interessen macht es schwer, endlich den Durchbruch zu schaffen. Doch ohne eine gut funktionierende Ende-zu-Ende-Digitalisierung bleibt auch die beste App nur eine schöne Fassade.

Leider fehlt dem OZG bislang der Erfolg auf dem Weg zur durchdigitalisierten Verwaltung. Und auch das EfA-Prinzip ist in Deutschland steckengeblieben. Was in dieser Situation helfen könnte, wären vereinheitlichte technische und organisatorische Grundlagen, um eine maximale Flexibilität bei der Inanspruchnahme der Verwaltungsleistungen über alle föderalen Ebenen hinweg zu sichern. Der Zugang zu digitalen Services sollte dabei auf kommunaler Ebene stattfinden, da die Bürger zu ihrem Heimatort einen direkten Bezug haben. Gleichzeitig sollte hier auch der Online-Zugang zu den Leistungen auf Bundes- bzw. Landesebene gegeben sein, um den Komfort – und damit die Nutzungsmotivation – zu maximieren.

Blick in die Niederlande

Ein Blick in die Niederlande zeigt, wie eine gut durchdachte, zentralisierte Lösung den Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen erheblich erleichtern kann, die auf breite Akzeptanz stößt. Der digitale Zugang zu Verwaltungsleistungen ist in den Niederlanden zentralisiert und erfolgt via DigiD. Darüber können Bürger und Unternehmen viele Dienste nutzen, z. B. Ummeldungen bei der Stadtverwaltung, Steuermeldungen, Anträgen auf Sozialleistungen oder den Zugang zu Krankenakten. Die meisten niederländischen Städte und Gemeinden bieten Online-Portale an, die in der Regel mit DigiD verbunden sind und über die digitale Verwaltungsleistungen übergreifend in Anspruch genommen werden können. Die DigiD-App bietet mit der Zwei-Faktoren-Authentifizierung einen sicheren und komfortablen Zugang zu den Leistungen.

Digitale Identitäten

Demgegenüber werden in Deutschland verschiedene Systeme für die digitale Identität genutzt, so etwa BundID, Personalausweis mit eID-Funktion oder Elster. Deutschland steht zusätzlich vor der Herausforderung, einen Portalverbund zu schaffen, um auf alle verfügbaren Dienstleistungen zugreifen zu können. Eigene Portale der Bundesländer und der Bundesbehörden erschweren dieses Unterfangen. Interoperabilität, Sicherheits- und Datenschutzanforderungen, Nutzerfreundlichkeit, Bekanntheit und Akzeptanz sind in diesem Kontext die größten Hürden.

So trifft der elektronische Personalausweis auf mangelndes Interesse. Laut Bundesinnenministerium (BMI) waren zwar zum 31. Oktober 2023 rund 56,57 Millionen – immerhin 92 Prozent – der Personalausweise mit aktiviertem Online-Ausweis im Umlauf, doch gerade einmal 14 Prozent verwenden die Online-Ausweisfunktion tatsächlich, wie eine jährliche Studie der Initiative D21 ergab. Selbst in den digital sehr affinen Bevölkerungsgruppen sind die Nutzer in der Minderheit: In der Generation Z liegt der Anteil bei 28 Prozent, in der Generation Y bei 16 Prozent.

Die Gründe dafür sind vielfältig: Viele Bürger sehen keinen konkreten Nutzen, der Aktivierungsprozess ist kompliziert, sie sind über die Sicherheit besorgt und oft fehlt es an Informationen und Beratung. Häufig sind selbst die Mitarbeitenden in den Behörden unzureichend geschult.

Alle technischen Bausteine sind vorhanden

Wollen wir eine „Deutschland-App“ bei den Kommunen etablieren, müssen wir auch hier eine sichere und komfortable Authentifizierung umsetzen, für Interoperabilität bei Portalen sorgen und die Nutzererfahrung verbessern. Wenn in Deutschland alle beteiligten Akteure – also Vertreter von Bund, Ländern und Kommunen – systematisch zusammenwirken würden, könnten wir hier endlich vorankommen. Technisch sind längst alle Bausteine vorhanden. Wir müssen nun die Zielsetzung zusammen entwickeln und uns auf eine Gesamtlogik festlegen. Um noch einmal auf das Bild zurückzukommen: Wie soll unser Haus genau aussehen – und wer ist bei der Planung und Umsetzung wofür zuständig? Damit das gelingt, benötigen wir eine Homogenisierung der unterschiedlichen Strukturen, damit die unterschiedlichen Gewerke an den Schnittstellen auch zusammenpassen.

Als entscheidende Fragen für eine Deutschland App wären zu klären:

Wie funktioniert eine einfache Authentifizierung?Welche Funktionalitäten soll und muss die App haben?Wie kann man strukturell die Grundlagen für die erforderliche Ende-zu-Ende-Digitalisierung schaffen?Ein Gemeinschaftsprojekt für die Zukunft

Die Einführung einer Deutschland-App könnte also ein wichtiger Schritt in Richtung einer modernen Verwaltung sein. Allerdings steht und fällt der Erfolg mit der Qualität der dahinterliegenden Prozesse und Anbindungen. Eine bloße App bringt wenig, wenn die strukturellen Probleme, die der Verwaltungsdigitalisierung zugrunde liegen, ungelöst bleiben. Es braucht eine durchdachte, gesamtheitliche Digitalisierungsstrategie, die auf Zusammenarbeit und Dialog zwischen Bund, Ländern und Kommunen basiert.

Erst wenn wir einen einheitlichen Rahmen schaffen, in dem sich die unterschiedlichen Verwaltungsprozesse digital harmonisieren, kann auch eine Deutschland-App ihr volles Potenzial entfalten und die Verwaltungslandschaft nachhaltig verändern.

Die Digitalisierung der Verwaltung ist ein hochkomplexes Projekt – doch wenn sie scheitert, werden wir Probleme mit unserer Zukunftsfähigkeit in Deutschland bekommen. Also sollten wir das Haus einmal gründlich durchplanen, damit es am Ende seinen Zweck auch vollumfänglich erfüllen kann.

Die Autorin

Elisabeth Schulze-Hulitz ist Manager bei Detecon und Expertin für die ganzheitliche Digitalisierung und Modernisierung von Verwaltungen. Sie unterstützt Behörden auf allen föderalen Ebenen bei der digitalen Transformation. Sie ist zudem Autorin verschiedener Publikationen in den Themenbereichen Smart Government und Smart City.

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