Deutschland gegen die Niederlande: Warum Lewelings frühes 1:0 ...

Fast drei Minuten lang überprüfte Schiedsrichter Slavko Vincic die Szene, und am Ende sagte Bundestrainer Julian Nagelsmann, es sei eine Fehlentscheidung. Aber was war vor Jamie Lewelings letztlich aberkanntem Tor nach 100 Sekunden – zum vermeintlichen frühen 1:0 für Deutschland im Nations-League-Spiel gegen die Niederlande – eigentlich passiert?

Deutschland – Niederlande - Figure 1
Foto Süddeutsche Zeitung

Beim Pass von Joshua Kimmich steht Serge Gnabry ganz knapp im Abseits, allerdings fängt der Niederländer Jorrel Hato das Zuspiel ab, der Ball kommt zu Micky van de Ven, dem nimmt wiederum Gnabry den Ball ab und legt ihn Leweling zum Torschuss auf.

Ganz früher war es so, dass eine Abseitsstellung aufgehoben wurde, wenn der Ball vom Gegner kam. Die Regel wurde aber geändert, weil so eine klare Abseitsstellung eines Stürmers durch einen leicht abgefälschten Pass plötzlich straffrei wird. Bis 2022 hieß es dann, dass Abseits nur aufgehoben wird, wenn ein Verteidiger den Ball „absichtlich“ spielt, von 2022 an wurde das Adjektiv in „kontrolliert“ geändert.

SZ Plus

Jamie Leweling beim DFB

:Der nächste Ja-ich-will-Spieler

Torschütze Jamie Leweling ist bei seinem DFB-Debüt gegen die Niederlande gleich der „Schlüsselspieler in der Offensive“. Er steht für den neuen Typ Nationalspieler, von dem Bundestrainer Julian Nagelsmann nicht genug bekommen kann.

Anlass der Änderung war eine Szene im Nations-League-Finale 2021, als Frankreichs Kylian Mbappé ein Tor aus Abseitsposition erzielte. Der Spanier Eric García hatte den Pass zu Mbappé mit einer Grätsche noch abgefälscht. Die Grätsche war sicher Absicht, da er den Ball aber nicht kontrollierte, profitierte Mbappé weiter von seiner Abseitsstellung. Denn grundsätzlich ist der Gedanke: Der Spieler, der im Abseits steht, begeht ein Regelvergehen und verschafft sich einen Vorteil, und es müssen große mildernde Umstände vorliegen, damit der Vorteil nicht mehr greift und die ursprüngliche „Straftat“ aufgehoben wird.

In Deutschland wurde das Phänomen bekannt durch den damaligen Paderborn-Trainer Steffen Baumgart, der nach einem DFB-Pokalspiel 2021 in Dortmund eine Wutrede hielt, weil er sich durch die alte Regelung im Nachteil sah. Es gab auch den Fall des Union-Berlin-Spielers Aïssa Laïdouni, der versuchte, eine Bogenlampe mit der Hacke zu spielen. Von seiner Ferse sprang der Ball zum damaligen Leipziger Timo Werner, der aus dem Abseits kam. Das in der Folge erzielte Tor für Leipzig wurde aberkannt, und es entbrannte eine hitzige Diskussion darüber, dass Laïdouni durch die Regelauslegung offensichtlich dafür belohnt wurde, dass er nicht imstande gewesen war, den Ball zu kontrollieren.

Die Frage für Vincic am Videobildschirm war also am Montagabend: Hatten die Niederländer Hato und van de Ven den Ball nach dem Kimmich-Pass kontrolliert? Schaut man sich die Szene noch einmal an, spricht vieles dafür. Nicht nur, dass gleich zwei gegnerische Spieler an den Ball kommen, Hato spielt den Ball so gezielt zu van de Ven, dass der ihn auch annehmen kann – erst dann greift Gnabry ein.

Für Bundestrainer Nagelsmann war es daher die falsche Entscheidung, das Tor zurückzunehmen, auch ZDF-Schiedsrichterexperte Manuel Gräfe kam zu diesem Urteil. Gräfe mutmaßte, dass der VAR Vincic die falschen Bilder lieferte. In der Tat ist aus der Hintertorperspektive der Pass von Hato klarer zu erkennen als aus der Seitenansicht. Vielleicht war das der Grund für die lange Überprüfung, der Slowene äußerte sich später nicht. Vermutlich auch, weil die Entscheidung den Spielausgang letztlich nicht beeinflusste.

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