Explosion in Den Haag: Suche nach Vermissten dauert an

Am Tarwekamp im Haager Stadtteil Mariahoeve sah es am Sonntag so aus, wie man es von Bildern aus der Ukraine kennt – nach russischen Bombenangriffen. In einem dreistöckigen Wohnblock klaffte eine etwa zehn Meter breite Lücke, in den umliegenden Wohnungen und Geschäften im Erdgeschoss waren Fenster geborsten und Fassaden eingedrückt. Auf der Straße davor lag ein riesiger Haufen Schutt. Bagger und Kräne waren im Einsatz, Bergungskräfte suchten nach weiteren Verschütteten. Am Samstag hatten sie fünf Tote geborgen, vier Verletzte wurden ins Krankenhaus gebracht.

Den Haag Explosion - Figure 1
Foto FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung

Anwohner berichteten von einer gewaltigen Explosion am Samstagmorgen um 6.15 Uhr, von der die gesamte Umgebung erschüttert worden sei. Wie „bei einem Erdbeben“ habe sich das angefühlt, sagte eine Frau. Der Haager Bürgermeister Jan van Zanen sprach bei einer Pressekonferenz von einer großen Explosion, der eine kleinere vorausgegangen sei. Der Vorfall soll sich in einer Wohnung mit Balkon im ersten Stockwerk des Wohnblocks ereignet haben. Anschließend brach Feuer aus. Auf einem Video, das offenbar von einer privaten Überwachungskamera aufgenommen wurde und in sozialen Netzwerken kursierte, sind zwei Knalle binnen zehn Sekunden zu hören, auf die acht Sekunden später eine lang anhaltende Detonation folgt. Es klingt, als sei es zu einer Serie von Explosionen gekommen, wie bei einem Feuerwerk.

Fahndung nach einem Fahrzeug

Van Zanen sprach von einem „sehr großen und ernsten Vorfall“, wollte sich aber nicht zu dessen Ursache äußern und verwies auf laufende Ermittlungen. Die Polizei bat am Samstagmittag die Bevölkerung um Hinweise auf ein Fahrzeug, das unmittelbar nach der Explosion mit „sehr hoher Geschwindigkeit“ davongefahren sei. Zeugen wurden gebeten, mögliche Videoaufnahmen zu übergeben.

Dieser Aufruf führte zu allerlei Spekulationen. War es womöglich kein Unfall, sondern ein gezielter Anschlag? Eine Abrechnung im kriminellen Milieu? In der Szene der organisierten Kriminalität kommt es immer wieder zu Angriffen auf Gebäude, die mit Handgranaten oder schweren, illegalen Feuerwerkskörpern ausgeführt werden – Abrechnungen unter Banden. In der Stadt Den Bosch ereignete sich in den vergangenen Monaten eine Serie von Brandanschlägen auf Fahrzeuge und Wohnungen, deren Besitzer als Dachdecker tätig waren. Hier besteht der Verdacht, dass es darum gehen könne, missliebige Konkurrenz auszuschalten. Einen mit der Zerstörung in Den Haag vergleichbaren Fall gab es jedoch bisher nicht.

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Am Sonntag machten sich Ermittler der niederländischen Behörde für Sicherheit ein Bild von der Lage. Sie kommen bei größeren Unfällen und Katastrophen zum Einsatz. Insgesamt wurden fünf Wohnungen vollständig zerstört und weitere Teile des Wohnblocks stark in Mitleidenschaft gezogen. Ein Abschnitt stehe nur noch „auf Stelzen“, sagte ein Feuerwehrsprecher am Sonntag. Insgesamt vierzig Wohnungen wurden vorsorglich evakuiert, die Gegend wurde weiträumig abgesperrt.

Die Rettungsdienste hatten am Samstag mitgeteilt, dass sie mit mindestens zwanzig Opfern rechneten. Es war jedoch nicht klar, worauf sich die Zahl bezog. Möglicherweise war es eine Schätzung aufgrund der zerstörten Fläche. Die Suche wurde am Sonntag fortgesetzt, ein Feuerwehrsprecher wollte nicht ausschließen, dass noch Personen gefunden würden.

Das Viertel Mariahoeve besteht aus Sozial- und Eigentumswohnungen. Es liegt 2,5 Kilometer vom Haager Hauptbahnhof entfernt, auf der vom Zentrum abgewandten Seite. Anwohner verlangten bei einer Versammlung am Samstagabend vom Bürgermeister Antworten auf die Ursache der Explosionen. Die gemeinnützige lokale Organisation „Lichtpuntjes van Mariahoeve“ organisierte eine Spendenaktion für die Betroffenen. Die angestrebte Summe von 250.000 Euro wurde schon am Sonntagnachmittag erreicht, es beteiligten sich mehr als 8500 Spender. Ministerpräsident Dick Schoof zeigte sich „schockiert“ über den Vorfall und sprach den Betroffenen sein Mitgefühl aus. Ähnlich äußerte sich das Königspaar.

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