Vier Entscheidungen. Vier Mal Gold. Das ist eine sportliche Sensation. Dass Darja Varfolomeev zur Weltspitze der Sportgymnastik gehört, war schon vor der WM in Valencia kein Geheimnis. Doch mit Gold in allen vier Einzelentscheidungen hat sie alle Erwartungen getoppt. Die 16-jährige Schülerin aus Schmiden (bei Stuttgart) geht damit auch als Favoritin ins Mehrkampf-Finale am Samstag. Dort kann sie schaffen, was ihr zuvor schon Anfang Juli bei den deutschen Meisterschaften gelungen war: Fünf Titel zu gewinnen. "Mehrkampf ist das Wichtigste. Da versuche ich, aufs Treppchen zu kommen. Das ist mein Traum", hatte die Schülerin vom TSV Schmiden schon vorher gesagt.
Schon beim WM-Debüt: Mehrfache MedaillengewinnerinBereits im letzten Jahr hatte Varfolomeev bei ihrem WM-Debüt mehrere Medaillen mit nach Hause gebracht. Neben Gold mit den Keulen gewann sie 2022 Silber im Mehrkampf, mit dem Ball und im Team. Außerdem holte sie Bronze mit dem Reifen. Jetzt hat sie noch mal eins draufgesetzt und schaffte Historisches: Nie gewann eine deutsche Gymnastin mehr WM-Titel. "Vier Goldmedaillen, das ist unfassbar. Ich kann das einfach nicht glauben", sagte die gebürtige Russin nach ihrem Mega-Erfolg. Für den Deutschen Turner-Bund (DTB) ist das Ergebnis schon jetzt historisch. Vor Varfolomeev war Carmen Rischer mit dreimal Gold und dreimal Silber bei Weltmeisterschaften in den 1970er-Jahren die erfolgreichste deutsche Gymnastin. Varfolomeev hat diese Bilanz nun weit übertroffen.
Von Sibirien nach SüddeutschlandGeboren wurde Varfolomeev in Sibirien. Die Faszination für die Sportgymnastik zeigte sie bereits mit vier Jahren in ihrer alten Heimat. Doch die Chance, in die russische Gymnastik-Elite aufgenommen zu werden, war eher gering. Um ihren Traum zu verwirklichen, zog sie mit zwölf Jahren ohne ihre Eltern nach Deutschland. Sie kam ins 5.000 Kilometer entfernte Fellbach-Schmiden, ohne die deutsche Sprache zu sprechen.
Möglich machte dies alles ihr deutscher Großvater Alexander. Seinetwegen besitzt sie neben der russischen auch die deutsche Staatsbürgerschaft und geht für den DTB an den Start. Mutter Tatjana war selbst eine erfolgreiche Gymnastin, musste allerdings wegen Knieproblemen ihre Karriere beenden.
Der nächste Traum: die Olympischen Spielen in Paris 2024Das Arbeitspensum des neuen Sterns am Gymnastik-Himmel ist enorm. Sie trainiert wöchentlich 35 Stunden und bewältigt zusätzlich ihren Schulalltag. Nach den Sommerferien kommt sie in die 10. Klasse der Albert-Schweizer-Gesamtschule.
Nach der WM in Valencia wird die Weltklasse-Athletin aber erst mal ins Flugzeug steigen. Mit ihrer Familie gönnt sie sich einige Tage auf Mallorca. Danach will sie auf ihren nächsten großen Traum hinarbeiten: Die Olympischen Spiele 2024 in Paris.