Daniel Ricciardo stürzt vom Formel-1-Olymp: Wie konnte das ...

Daniel Ricciardo stürzt vom Formel-1-Olymp: Wie konnte das passieren?

Daniel Ricciardo war in der Formel 1 ganz oben, wurde bei Red Bull als WM-Fahrer gehandelt. Jetzt ist die Karriere fast vorbei. Wie konnte sie so zerfallen? Ein Rückblick.

Daniel Ricciardo - Figure 1
Foto Motorsport-Magazin.com

Markus Steinrisser27.09.2024, 07:18 Uhr

Markus Steinrisser

Formel 1 Ressort

Seit 2018 im F1-Team. Der Mann fürs Textliche. Nichts ist schöner als Action auf- und abseits der Strecke, fusioniert zum großen Feature.MEHR

Daniel Ricciardo, Monaco 2018, am Gipfel seiner Formel-1-Karriere, Foto: LAT Images

Im Mai 2018 stand Daniel Ricciardo den Gipfel der Formel 1. So hoch oben war er, dass ihm Experten das Niveau eines Champions anhefteten. Zwei Siege, WM-Dritter, Max Verstappen unter Kontrolle. Sechseinhalb Jahre später ist Ricciardo gestürzt, 35-jährig auf dem Weg zum vorzeitigen F1-Ruhestand. Dieser Sturz ist eine der faszinierendsten Geschichten der jüngeren Formel 1.

Schon allein weil es so unerwartet kam. Der als Junior schon von Red Bull aufgebaute Ricciardo war 2014 nach seiner Beförderung ins Hauptteam neben dem vierfachen Weltmeister Sebastian Vettel erst einmal eingeschlagen wie eine Bombe. Von diesem Moment an wurde er im Fahrerlager eigentlich als Top-Fahrer gehandelt.

Ricciardos einziges Jahr gegen Vettel - der danach zu Ferrari wechselte - war deutlich. Drei Siege zu null, 238 Punkte zu 167. Hinter den unschlagbaren Mercedes wurde Ricciardo WM-Dritter. Auch in den Folgejahren war der Red Bull nie WM-fähig, Ricciardo aber stets hoch im Kurs und nie als Spitzenpilot angezweifelt. Die Partnerschaft beendete er aber 2018 aus eigenen Stücken. Die Probleme begannen.

Das erste Rätsel des Daniel Ricciardo: Max Verstappen und Red Bull

Bei Red Bull hatte sich ab 2016 Friktion aufgebaut. Der junge Max Verstappen war aufgetaucht, und hatte Ricciardo zunehmend begonnen unter Druck zu setzen. 7 zu 13 war Ricciardo schon im ersten kompletten gemeinsamen Jahr 2017 Verstappen im Qualifying unterlegen. Ricciardos Führungsstellung im Team zehrte von seiner Konstanz und Erfahrung - nicht von seiner Pace.

Daniel Ricciardo - Figure 2
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2018 bröckelte auch diese Fassade, als Verstappen nach einem desaströsen Saisonstart seine Konstanz-Probleme in den Griff bekam. Bei Ricciardos zwei letzten Red-Bull-Siegen kam Verstappen ihm entgegen: In China war er bei Überholmanövern zu ungestüm, in Monaco crashte er vor dem Qualifying. Das ermöglichte Ricciardo dort Pole und seinen siebten Sieg. Jenen Sieg, den er mit einem kaputten Motor mit fehlender Leistung einfuhr. Der augenscheinlich seinen Platz als Spitzenfahrer untermauern sollte.

Der Red-Bull-Auffahrunfall von Baku, Foto: Sutton

Doch das Verstappen-Problem wog schwer. Wieder unterlag Ricciardo im Qualifying-Duell, im Schnitt fehlten eineinhalb Zehntel. In Baku kollidierten die beiden, eigentlich gute Freunde, im Rennen. Die teamseitige Handhabung frustrierte Ricciardo. Er landete nur per Strategie hinter Verstappen, bekam keine Teamorder. Warum die Kollision dann als 50-50-Frage betrachtet wurde, verstand er nicht. Renault bot ihm einen Vertrag für 2019. Ricciardo griff zu.

Renault ist in dieser Geschichte nachrangig. In zwei Jahren fertigte Ricciardo intern Nico Hülkenberg und Esteban Ocon ab. 2020 holte er zwei Podien, galt als ein von einem Mittelfeld-Auto zurückgehaltener Top-Pilot, und viele im Fahrerlager sahen ihn als Nummer drei hinter Verstappen und Lewis Hamilton. An diesem Punkt packte Ricciardo zusammen und setzte darauf, dass McLaren ihm schneller ein siegfähiges Auto bieten würde.

Das zweite Rätsel des Daniel Ricciardo: McLaren und Lando Norris

Die Mathematik stimmte. Ricciardo unterschrieb mehrjährig, und 2023 hätte er - wie wir inzwischen wissen - mit McLaren an der Spitze kämpfen können. Aber es dauerte nur eineinhalb Jahre, bis man sich auf eine vorzeitige Trennung einigte. Bemerkenswert daran: Team und Fahrer unternahmen wirklich alles, um es zu vermeiden. Und trotzdem wurde die Lücke zu Lando Norris größer.

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Monza 2021 - rückblickend eher der Anfang vom Ende, Foto: LAT Images

Die erste Erkenntnis für Ricciardo war 2021 ein eigenwilliges Handling des McLaren. Ein unberechenbareres Heck am Eingang zu schnelleren Kurven bekam er nicht weg. Es war ein unnatürliches Gefühl. Der für seine Stärke auf der Bremse Bekannte musste lernen, das Auto auf der Bremse anders zu rotieren. Die Fortschritte kamen sehr langsam. Unterbrochen von einem sensationellen Comeback-Sieg in Monza.

Auf dem Papier schien nach Fortschritten im Herbst dann alles angerichtet. 2022 kam eine neue Auto-Generation. Anstatt dass Ricciardos Lage jedoch besser wurde, wurde sie schlechter. 2021 war er Norris im Qualifying 7 zu 15 unterlegen. 2022 wurde er mit 2 zu 20 vernichtet, war im Schnitt eine halbe Sekunde langsamer. Obendrauf war das Auto auch im Rennen nunmehr unnatürlich.

Es war ein völliges Desaster. Endlose Schritte machen, beschrieb es Ricciardo später. Er konnte sehen, was Norris mit dem Auto tat, aber er war nicht imstande, es zu replizieren. Einmal über das letzte Rennen reflektiert, eine Runde im Simulator, ein Fortschritt, zurück auf die Strecke - ein neues Problem.

Ricciardo verstand es nie, den McLaren zu fahren, Foto: LAT Images

Hinzu kam: Norris gab dem Team oft ähnliches Feedback über die Schwächen des Autos. Wie es am Eingang sich von Kurve zu Kurve veränderte. Norris passte seinen Fahrstil erfolgreich daran an. Ricciardo schaffte es nicht. Am Ende stand 2022 eine Lücke gegen Norris, die um ein vielfaches größer war als die gegen Verstappen.

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Daniel Ricciardos letztes Problem: Keine Auferstehung bei Red Bull

Auf Ingenieursseite suchte McLaren bis zum Schluss nach allen möglichen Auswegen. Auf Management-Seite wurde man dem Dauerproblem aber irgendwann müde. 2022 trat Norris praktisch im Alleingang in der Konstrukteurs-WM gegen Alpine an, holte 121 der 159 Team-Punkte. Irgendwann war es nicht mehr tragbar. Als man Oscar Piastri auf dem Markt erspähte, griff man zu, und setzte Ricciardo vor die Tür.

Ricciardo kehrte als Ersatzfahrer zu Red Bull zurück. Dem Team dort erschien er ein gebrochener Mann. Auch fahrerisch - viele der bei McLaren antrainierten Versuche, dem Auto entgegenzukommen, schienen sich festgesetzt zu haben. Im Red-Bull-Simulator wurde der Fahrstil zurückgebaut. Mit Unterstützung von Teamchef Christian Horner bekam Ricciardo daraufhin eine zweite Chance.

Ricciardo raus, Lawson rein! Wie geht es 2025 weiter? (08:02 Min.)

Er übernahm den Platz von Nyck de Vries im zweiten Red-Bull-Team. Mit dem Zuruf: Beweise dich, und du darfst zurück neben Max Verstappen. Nach zwei Rennen brach sich Ricciardo im Training von Zandvoort die Hand. Was unter dem Strich danach rauskam, war nicht viel. In etwas mehr als einem Jahr verlor er 9 zu 16 im Qualifying gegen Yuki Tsunoda. Nach Punkten unterlag er 18 zu 36. Sechs Rennen vor Saisonende 2024 beendete Red Bull das Experiment und nahm ihn aus dem Cockpit.

Ricciardos letztes Problem ist nun das Fehlen eines ersichtlichen Grundes. Sein neues Team hatte sich optimistisch gezeigt, etwa nach Mexiko, wo Ricciardo das Auto auf der Bremse wie zu besten Zeiten zu rotieren schien. Ein siebter Platz in Mexiko und ein vierter im Miami-Sprint suggerierten, dass die Pace noch da war. Aber die Konstanz war weg.

Die positiven Ausreißer waren zu selten. Schwache Wochenenden zu häufig. Vor allem ohne Beschwerden über das Auto. Ein Signal des Endes, zumindest als Spitzenfahrer. Es ist schwer, das anders zu interpretieren. Nachdem Ricciardo zuletzt klarstellte, dass er nicht länger um Q2-Einzüge kämpfen möchte, ist das wohl auch sein Ende als F1-Fahrer.

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