SPD und Grüne üben nach "D-Day"-Papier scharfe Kritik an FDP
Stand: 30.11.2024 15:15 Uhr
"Systematische Sabotage" und "von langer Hand geplant": SPD und Grüne üben angesichts der "D-Day"-Affäre scharfe Kritik am früheren Koalitionspartner. Und äußern Zweifel, dass FDP-Chef Lindner von dem Strategiepapier nichts wusste.
Nach den Rücktritten in der FDP aufgrund eines detaillierten Papiers zum Ampel-Ausstieg arbeiten sich die früheren Koalitionspartner SPD und Grüne an der Partei ab - und kritisieren insbesondere die Rolle von FDP-Chef Christian Lindner vor und nach dem Koalitionsbruch.
Bundeskanzler Olaf Scholz nutzte die Bühne zum Wahlkampfauftakt der Sozialdemokraten in Berlin, um gleich zu Beginn seiner Rede erneut hart gegen Lindner auszuteilen. Scholz warf ihm und der FDP vor, die Arbeit der Ampel-Regierung über Monate hinweg "systematisch sabotiert" zu haben. "Sie wollten aktiv verhindern, dass diese Bundesregierung erfolgreich ist", sagte Scholz.
So etwas dürfe in Deutschland nie wieder passieren. Denn gerade in diesen schwierigen Zeiten könne sich das Land in der Politik "keine Spieler und keine Zocker" leisten. Nötig sei eine verantwortungsvolle Politik. Deshalb sei es richtig gewesen, dass er Lindner als Bundesfinanzminister "vor die Tür gesetzt" habe.
"Von langer Hand geplant und inszeniert"Auch SPD-Chefin Saskia Esken erhob noch einmal schwere Vorwürfe gegen die Liberalen und ihren Vorsitzenden. "Aus heutiger Sicht war es möglicherweise ein Fehler, Vertrauen in die staatspolitische Verantwortung von Christian Lindner zu setzen", sagte sie bei derselben Veranstaltung. Esken zeigte sich überzeugt, dass die FDP den Bruch der Koalition "von langer Hand geplant und inszeniert hat wie so ein Schauspiel, um sich, vielleicht auch die Merz-CDU, in eine bessere Position für die Bundestagswahl zu bringen - ohne jede Verantwortung für das Land, aber wohl auch ohne Erfolg, und das ist gut so."
Scholz hatte Lindner in einer Sitzung des Koalitionsausschusses am 6. November entlassen, damit war die Ampel-Regierung Geschichte. Der Ex-Finanzminister hatte in der Woche zuvor ein 18-seitiges Forderungspapier für eine "Wirtschaftswende" veröffentlicht, das SPD und Grüne als Affront bewerteten. In den Wochen nach der Entlassung zeigten Berichte und publik gewordene FDP-Papiere, wie die FDP gezielt auf den Bruch der Koalition hingearbeitet hatte.
Ein Papier und zwei RücktritteBesonders ein Arbeitspapier mit dem Titel "D-Day Ablaufszenarien und Maßnahmen", das die FDP schließlich gestern selbst veröffentlichte, sorgte für ein Beben letztlich auch in der Partei. In dem Papier wird der mögliche Ausstieg der FDP aus der Ampel mit militärischen Begriffen wie "D-Day" und "offener Feldschlacht" beschrieben.
Generalsekretär Bijan Djir-Sarai und Bundesgeschäftsführer Carsten Reymann übernahmen die Verantwortung und traten zurück. Lindner selbst beteuert, er habe von dem Papier keine Kenntnis gehabt.
Brantner: Ohne Lindner in der FDP "eigentlich nichts möglich"Grünen-Chefin Franziska Brantner hält das für wenig glaubwürdig. Sie sagte der Bild-Zeitung: "Also wer die FDP kennt, weiß, dass ohne Christian Lindner eigentlich nichts möglich ist. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass Herr Lindner gar nichts davon wusste."
Zum Verhalten der FDP im Zusammenhang mit dem Ende der Ampelkoalition sagte Brantner: "Offensichtlich wurde in der Öffentlichkeit und auch innerhalb der Koalition etwas ganz anderes gesagt, als man intern vorbereitet hat." So etwas sei mit ihrer Kinderstube eigentlich nicht vereinbar. "Ich habe gelernt: Man ist anständig, man respektiert sich, man lügt nicht", sagte die Grünen-Politikerin. Dies sei eine Frage der Verlässlichkeit unter demokratischen Partnern.
Auch ihr Co-Vorsitzender, Felix Banaszak, glaubt nicht an die Darstellung Lindners. Die FDP sei eine "sehr autoritär geführte Partei". Man müsse sich fragen, von was für "Leuten" man regiert werden wolle, die so mit der Wahrheit und Unwahrheiten umgingen, sagte Banaszak in Cottbus beim Parteitag des Brandenburger Landesverbandes der Grünen. Die FDP glaube ihrer eigenen Spitze nicht. "Das ist ja offensichtlich."
Lindner: "Natürlich musste und muss ich mich prüfen"Lindner hatte zum "D-Day"-Papier seiner Partei in den tagesthemen gesagt, dieses sei nur "durch Indiskretionen und Durchstechereien" in die Öffentlichkeit geraten. Den Mitarbeitern, die das Papier entworfen hätten, mache er keinen Vorwurf. "Die haben nach bestem Wissen und Gewissen ein Papier erarbeitet, das freilich nicht überzeugend ist und das auch deshalb bei uns intern in politischen Gremien nie besprochen worden ist. Es sei nie für politische Beratung gedacht gewesen.
Auch er selbst musste und müsse sich prüfen. "Ich bin immerhin eines der Gesichter der gescheiterten Ampelkoalition. Und ich stecke jetzt mit meiner Partei auch in dieser äußerst schwierigen Situation."
Rückendeckung für Lindner kommt derweil von Berlins FDP-Vize Sebastian Czaja. Im rbb sagte Czaja, er halte weitere personelle Konsequenzen für unnötig. Auch er selbst - als Mitglied des Bundesvorstands - habe nichts von dem Dokument gewusst.