Continental: Wieso der drastische Stellenabbau nur der Anfang sein ...
Continental startet ein neues Sparprogramm, will in seinem wichtigsten Geschäftsfeld Auto jedes Jahr 400 Millionen Euro sparen und tausende Jobs streichen. Doch das wird nicht reichen.
Philipp von Hirschheydt ist neu im Vorstand von Continental. Seit Mai leitet er dort den umsatzstärksten Unternehmensbereich Automotive – und den margenschwächsten.
Nun also greift von Hirschheydt durch: Das Geschäftsfeld Auto soll schon bald jedes Jahr 400 Millionen Euro sparen und tausende Jobs streichen. Wie viele Arbeitsplätze betroffen sind, steht laut Continental noch nicht abschließend fest. Die Zahl, heißt es, dürfte aber voraussichtlich im mittleren vierstelligen Bereich liegen. Medien hatten zuletzt von 5500 Stellen berichtet. Die Jobs dürften vor allem in der Verwaltung entfallen. Zum Vergleich: Im Bereich Automotive arbeiten weltweit 100.000 Menschen.
Erst vor wenigen Tagen hatte die WirtschaftsWoche berichtet, dass von Hirschheydt verschlanken, beschleunigen und Hierarchien abbauen will. Viel zu lange Entscheidungswege gebe es in der Autosparte, sagen Insider. „Wir müssen schneller werden“, so ein Kenner. Was also aus zahlreichen Führungskräften wird, ist jedoch noch offen. Fakt aber sei, sagt ein Insider, dass es in manchen Bereichen zwei bis drei Führungsebenen zu viel gebe. Der Gewerkschaft IG Metall gefällt der Abbau gar nicht.
Aufgaben werden doppelt erledigt
In der Vergangenheit hat man auch viele Unternehmen zugekauft – und führt sie dezentral, statt sie zu integrieren. An mancher Stelle werden so Aufgaben doppelt erledigt, das führt nach Ansicht vieler im Unternehmen oft zur Mehrarbeit. Conti werde langsamer statt agiler, monieren Kenner. Gut möglich, dass von Hirschheydt in Zukunft auch hier ansetzen wird.
Auf die Kosten schaut er bereits heute, vor allem bei den Einstellungen. Man habe die ausgeschriebenen Stellen „eingefroren“ und prüfe nun, ob sich dafür bevorzugt interne Bewerber finden ließen, erzählt ein Insider. Nur, wenn dies nicht der Fall sei, würden die Stellen wieder für externe Bewerber geöffnet werden.
Geschäftsfeld Smart Mobility wird aufgelöst
Bereits jetzt verschlankt der neue Auto-Vorstand Bereiche: Das Geschäftsfeld Smart Mobility von Conti-Manager Ismail Dagli wird aufgelöst. Er hatte bereits nach dem Abgang von Frank Petznick den Bereich Autonomous Mobility hinzubekommen. Nun sollen Teile des bisherigen Geschäftsfelds Smart Mobility in andere Geschäftsfelder innerhalb Automotives zugeordnet werden. Im Fokus der neuen Zuordnung stehen laut Conti drei Geschäftsaktivitäten: Nutzfahrzeugelektronik und Dienste für das Management von Nutzfahrzeugflotten, Aktuatoriklösungen für Pkw, beispielsweise Tür- oder Schiebedachsteuerungen, sowie das Pkw-Ersatzteilgeschäft.
Zu optimistisch geplant
Auf die Füße fällt Conti derzeit wie vielen in der Autoindustrie unter anderem, dass man zu früh zu optimistisch geplant hat. Schon vor Jahren rechnete man damit, dass die weltweite Fahrzeugproduktion auf 90 Millionen Fahrzeuge im Jahr steigt. Doch dann kam Corona und die schönen Pläne erfüllten sich nicht. Continental baute also wie auch andere einen zu großen Apparat auf im Vergleich zu den benötigten Kapazitäten.
Alles auf dem Prüfstand
Es ist also richtig, dass von Hirschheydt jetzt handelt. Doch für die Mitarbeiter dürfte es nicht die letzte schockierende Nachricht sein: Längst steht alles auf dem Prüfstand. Sind die einzelnen Teile von Continental mehr wert als das Ganze, droht dem Konzern womöglich die Aufspaltung, ein Verkauf von Geschäftseinheiten, der Teilbörsengang oder eine Abspaltung. Conti setzt voll auf Themen wie Software, Vernetzung und automatisiertes Fahren – doch langsam wird klar, dass man in all diese Geschäftsfelder nicht wird investieren können.
Obendrauf auf die nun angekündigten Maßnahmen kommt zudem noch das Strukturprogramm „Transformation 2019-2029“, bei dem bereits seit einiger Zeit weltweit 23.000 Jobs verändert, aber nicht zwingend abgebaut werden. Bislang sei man mit rund 12.500 Positionen durch, sagte ein Sprecher des Unternehmens auf Anfrage. Im Zuge von „Transformation 2019-2029“ wurde etwa die Schließung des Reifenwerkes in Aachen beschlossen.
Es dürfte also noch einiges kommen – von Hirschheydt hat ja auch gerade erst angefangen. Seine Kostenentlastung soll über alle Teile und Ebenen der Organisation erreicht werden. Automotive prüft laut Conti aktuell zudem zusätzliche Maßnahmen zur Erhöhung der Effizienz bei Forschung und Entwicklung. Diese „ersten Maßnahmen“ seien wichtig, um die Wettbewerbsfähigkeit des Automotive-Bereichs zu stärken, so von Hirschheydt. „Wir sehen uns daher alle Funktionen und Prozesse vom Vertrieb über Forschung und Entwicklung bis zur Produktion ergebnisoffen an, um Effizienz und Effektivität signifikant zu verbessern. Zur Identifizierung geeigneter Maßnahmen nehmen wir auch Gespräche mit den Sozialpartnern auf.“
Mehr als überfällig
All das ist mehr als überfällig: Die gerade erst vorgelegten Zahlen waren zumindest im Bereich Auto gruselig. Zum Konzernumsatz von knapp 31 Milliarden Euro steuerte die Autosparte in den ersten neun Monaten knapp die Hälfte bei. Während der Konzern beim Ergebnis vor Steuern und Zinsen (Ebit) eine Marge von 4,4 Prozent erzielte, lag die im Bereich Auto 0,2 Prozent im Minus. Auf Sicht von neun Monaten machte die Autosparte damit 26,4 Millionen Euro Verlust. Vor allem schlechte Wechselkurse drückten die Marge der Autosparte. Nur ohne solche Sondereffekte schnitt der Unternehmensbereich positiv ab. Die bereinigte Ebit-Marge bei Auto lag bei plus 1,0 Prozent. Doch das ist noch immer schlecht – denn eigentlich ist es das Ziel, diese bereinigte Marge mittelfristig in den Bereich von 6 bis 8 Prozent zu heben.
Immerhin: Lange warten müssen sie in Hannover auf die nächste Hiobsbotschaft wohl nicht: Am 4. Dezember ist Kapitalmarkttag.
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