Werner Gatzer: Christian Lindner feuert seinen ...
Nach der Verfassungsklatsche gegen die Sonderfonds trennt sich Bundesfinanzminister Christian Lindner vom langjährigen Haushaltsstaatssekretär Werner Gatzer. Der hatte seinen diversen Dienstherren immer wieder Geld auf magische Weise beschafft.
Der wohl mit Abstand mächtigste Beamte Deutschlands muss gehen. „Bundesfinanzminister Christian Lindner hat entschieden, Haushaltsstaatssekretär Werner Gatzer zum 31.12.2023 in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen. Das entsprechende Verfahren ist eingeleitet“. Mit wenigen Worten vermeldet das Finanzministerium an diesem Freitagnachmittag den Abgang seines Haushaltsstaatssekretärs. Werner Gatzer, die große graue Eminenz des Bundesfinanzministeriums, scheidet im Zuge der vom Bundesverfassungsgericht ausgelösten Haushaltskrise unrühmlich aus.
In einem internen Schreiben erläutert Lindner seinen Ministerialbeamten in der „Ministermail Nr. 9 – Nach dem Karlsruher Urteil“ um 14.59 Uhr, dass das verfassungswidrige Handeln zum Nachtragshaushalt im Ministerium „Konsequenzen“ habe. Dazu zählt, dass Gatzer gefeuert wird. Dieser trägt die fachlich-konzeptionelle Verantwortung für die Umwidmung von 60 Milliarden Euro vom Coronafonds zum Klima- und Transformationsfonds KTF. Dazu schreibt Lindner in seiner „Ministermail Nr.9“: „Die damalige Vorgehensweise wurde ... vor meinem Amtsantritt entworfen.“ Und weiter: „Das Urteil (aus Karlsruhe) ist nun aber eine Zäsur für die Staatspraxis. Wir müssen den verfassungswidrigen Zustand beenden und den Haushalt 2024 anpassen.“
Heikle Aktionen
Zäsur! Verfassungswidrigen Zustand beenden! Damit sind Gatzers Tage gezählt. Denn der Dauerstaatssekretär steht auch für andere umstrittene Haushaltsaktionen. So konnte Lindners Amtsvorgänger Olaf Scholz (SPD) einen zweistelligen Milliardenbetrag zwischen 2018 und 2021 einstreichen, indem Bundesanleihen mit höheren Zinssätzen begeben wurden und der Bund dafür ein Aufgeld einstrich. Auch diese Konstruktion fällt Lindner auf die Füße, weil nun die höheren Zinsen ins Kontor schlagen.
Was bedeutet der Begriff Aufgeld (Agio)?
Das Aufgeld, die sogenannte Agio, zeigt an, um wie viel Prozent der Kauf oder Verkauf des Basiswertes über den Optionsschein teurer ist als der direkte Erwerb an der Börse. Da Optionsscheine meist in Bar abgerechnet werden, ist das Aufgeld für Anleger nicht relevant – vor allem, wenn sie den Schein nicht ausüben, sondern verkaufen wollen.
Auch die Flüchtlingsrücklage, die Ende 2015 unter Leitung des damaligen Finanzministers Wolfgang Schäuble (CDU) gebildet wurde und Gatzers Handschrift trägt, ist umstritten. Dieses Finanzpolster machte zeitweise mehr als 40 Milliarden Euro aus. Gatzer konnte dann für seinen jeweiligen Minister bei knapper Kasse das Geld wieder hervorzuzaubern.
Die WirtschaftsWoche sprach schon vor Jahren von Gatzer als „Houdini des Haushalts“, der seit 2005 allen Finanzministern diente. Ihm wurde nachgesagt, nur er wisse, wie es um die Haushaltslage des Bundes wirklich stehe und wo welche Gelder gebunkert seien.
Haushaltskrise So kommt Deutschland aus dem Loch
Das Karlsruher Haushaltsurteil ist eine Zäsur. Die Bundesregierung stürzt es in milliardenschwere Nöte. Und die Wirtschaft muss noch mehr Unsicherheit ertragen. Doch es gibt Auswege – Mut und Klarheit vorausgesetzt.
von Max Haerder, Sonja Álvarez, Daniel Goffart, Florian Kistler, Christian Ramthun
Auch Christian Lindner mochte zunächst nicht auf die Künste Gatzers verzichten. Vor kurzem verlängerte der Minister noch den Vertrag für den inzwischen 65-jährigen Spitzenbeamten, der unter anderem auch Chefaufseher bei der Bahn AG ist. Doch der Verfassungsskandal um die Sondervermögen KTF und den Wirtschaftsstabilisierungsfonds WSF machten ihn für Lindner untragbar.
Kein Zauber, sondern Illusionen
Neuer Staatssekretär wird Wolf Reuter, derzeit Leiter der Grundsatzabteilung. Reuter habe bereits kurz nach seinem Amtsantritt im Frühjahr 2022 die finanzpolitische Strategie des BMF „zusammen mit mir entwickelt“, kommentiert Lindner.
Den völlig verunsicherten Ministerialbeamten versichert Lindner abschließend in der „Ministermail Nr. 9“, dass „ich unverändert volles Vertrauen in dieses Ministerium und seine Beschäftigten habe“. Und dann noch: „Lassen Sie uns die vor uns liegenden Aufgaben gemeinsam angehen!“ Aber ohne Gatzer nun. Dessen Zaubereien entpuppten sich als Illusionskünste.
Lesen Sie auch: Sind diese Regierung und dieser Kanzler noch seriös?
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?