Neue Pandemie? Warum die nächsten Tage in China so wichtig ...
Die Nachrichten von einem mysteriösen Ausbruch an Lungenkrankheiten in China wecken Erinnerungen an das Jahr 2020. Zwar hat die WHO vorerst Entwarnung gegeben, es gibt wohl keinen neuen, unbekannten Erreger. Wie sich die Zahlen entwickeln, bleibt allerdings abzuwarten.
Die Erinnerung an den Ausbruch der Covid-Pandemie im chinesischen Wuhan ist im kollektiven Gedächtnis der Menschheit noch nicht verblasst. Von daher erinnern die ersten Stunden und Tage des mysteriösen Ausbruchs einer Lungenkrankheit bei Kindern im Norden der Volksrepublik an die schrecklichen Monate des Jahres 2020. Derzeit erkranken vermehrt Kinder an einer symptomatischen Lungenentzündung, was besagt, dass die eigentlichen Kennzeichen einer solchen Lungenentzündung wie hohes Fieber bei den Kindern nicht vorkommen, obschon sie daran erkrankt sind.
Im Video oben: Neue Erkenntnisse der WHO – Lungenentzündungen in China durch zwei bereits bekannte Erreger verursacht
Über den Gastautor
Alexander Görlach ist Honorarprofessor für Ethik an der Leuphana Universität in Lüneburg und Senior Fellow am Carnegie Council for Ethics in International Affairs in New York. Nach einem Aufenthalt in Taiwan und Hongkong hat er sich auf den Aufstieg Chinas konzentriert und was dieser für die Demokratien in Ostasien im Besonderen bedeutet. Von 2009 bis 2015 war Alexander Görlach zudem der Herausgeber und Chefredakteur des von ihm gegründeten Debatten-Magazins The European. Heute ist er Kolumnist und Autor für verschiedene Medien. Er lebt in New York und Berlin.
Darüber, wie viele Kinder derzeit erkrankt sind, macht Chinas Staatsapparat keine Angabe. Die staatlich gelenkten Medien erwähnen den Ausbruch, sprechen aber von milden Verläufen. Aktivisten senden Berichte und Fotos an ausländische Medienhäuser, Korrespondenten, die in China stationiert sind, versuchen, sich selbst einen Überblick zu verschaffen und so eine Schätzung abgeben zu können. Eine Korrespondentin, die für Al Jazeera in Peking ist, schreibt, dass ein Krankenhaus, das sie besucht hat, rund 1200 junge Patientinnen täglich auf der Kinderstation aufnimmt. Die britische Zeitung The Guardian spricht von 1600 kranken Kindern in einem anderen Pekinger Stadtkrankenhaus.
Ein Sprecher von Chinas Nationaler Gesundheitskommission sagte, dass der Anstieg an Infektionskrankheiten in diesem Winter vermutlich der Tatsache geschuldet sei, dass sich viele Menschen während der Pandemie nicht anstecken konnten und deshalb in diesem Jahr, wo das Leben wieder seinen normalen Gang geht, anfälliger für Erkältung, Grippe oder Lungenentzündung seien. Diese Theorie halten Wissenschaftler der Weltgesundheitsorganisation nicht für abwegig. Derzeit weisen ihre Experten darauf hin, dass es keine Hinweise auf ein neues Pathogen gäbe, das, wie zuvor Covid-19, den Beginn einer Pandemie einläuten könnte.
Kein Hinweis auf neue Pandemie auf den Seiten der GesundheitskommissionAuf der englischsprachigen Webseite der Gesundheitskommission findet sich bis zum Abfassen dieses Artikels kein Hinweis auf die neue Pandemie. Die Weltgesundheitsorganisation hingegen hat Empfehlungen und rät den Chinesinnen und Chinesen zu hause zu bleiben, wenn sie sich krank fühlen, Masken zu tagen und sich regelmäßig die Hände zu waschen. Auch eine Grippeimpfung hält die Behörde für angebracht.
Alles steht und fällt jedoch derzeit mit den Daten, die die WHO von Peking erbeten hat. Ihre Analyse und der Austausch über die Ergebnisse mit weltweit anerkannten Experten soll der Regierung in Peking helfen, die Epidemie zu verstehen und entsprechende Massnahmen durchzuführen. Für den Moment sind erst einmal die Schulen in Peking und an anderen Orten im Norden der Volksrepublik geschlossen, um eine weitere Ausbreitung der Lungenentzündung unter Kindern zu verhindern.
Ob China weiter so konstruktiv reagiert, bleibt abzuwartenDie Volksrepublik hat nun innerhalb der vorgesehenen 24 Stunden auf die Anfrage der WHO reagiert. Es bleibt abzuwarten, ob diese konstruktive Grundhaltung bestehen bleibt oder die totalitäre Führung des Landes ab einem gewissen Punkt wieder zu mauern beginnen und keine Daten mehr herausgeben wird. Sowohl während des Ausbruchs von SARS im Jahr 2003 als auch während der Coronavirus-Pandemie, stieß Chinas Überwachung und Meldung von Infektionskrankheiten weltweit auf Beobachtung und Kritik. Beide Male vertuschten die Beamten frühe Fälle und blockierten Anfragen von Gesundheitsbehörden im Ausland, einschließlich der WHO, nach weiteren Informationen und Zugang zu Patientendaten.
Die kommenden Tage werden entscheidend: Können die Experten der WHO mit den aus China übermittelten Daten etwas anfangen? Wie entwickeln sich die Krankenzahlen und halten die Notaufnahmen in den Kinderspitälern dem riesigen Ansturm stand? Nach den Verheerungen, die die "Null Covid”-Politik von Chinas Machthaber Xi Jinping, in der chinesischen Gesellschaft und der chinesischen Wirtschaft angerichtet haben, steht den Menschen im Reich der Mitte wirklich nicht der Sinn nach einer neuen Epidemie, die das Land definitiv noch mehr in Mitleidenschaft ziehen würde.