China plant eine „OPEC“ für Solarmodule
Europas Verbraucher haben sich zuletzt über enorm günstige Solarpaneele gefreut. Ein Modul kostete noch ungefähr ein Drittel dessen, was vor zwei Jahren fällig wurde. Mancherorts wurden Solarmodule als Gartenzäune verbaut. Doch damit könnte es bald vorbei sein. Denn Chinas Solarkonzerne haben sich nun auf eine Art Kartell geeinigt. Die Unternehmen einigten sich darauf, ihre Produktionsmenge zu begrenzen. Künftig soll es Quoten für die Konzerne geben, die sich am bisherigen Marktanteil orientieren. Manche Manager vergleichen die Initiative mit der OPEC, der Organisation erdölexportierender Länder, nur eben für Solarmodule. Zu den Leidtragenden könnten, genau wie bei der OPEC, auch europäische Konsumenten gehören, die höhere Preise zahlen müssten.
Die Kosten der Energiewende in Deutschland könnten damit höher ausfallen, als es ohne die Einigung der Fall wäre. Denn China dominiert die Branche: Die vier größten Solarmodulhersteller der Welt sind chinesisch, nur drei der zehn Größten kommen nicht aus China. Der Schritt macht nun abermals deutlich, wie sehr Europas Energiewende von Entwicklungen in der chinesischen Industrie abhängig ist. Konsumenten könnten „getroffen werden, da sich Preise erhöhen oder zumindest nicht weiter sinken könnten“, schreibt Holger Görg, Professor für Internationalen Handel am Institut für Weltwirtschaft in Kiel. Daraus könnten sich negative Auswirkungen auf die grüne Transformation ergeben, warnt er. Mehr als 90 Prozent aller importierten Solarpaneele in der EU stammten aus China. Die EU stelle weit weniger als 10 Prozent aller hier verbauten Module selbst her.
Durchsetzungsmechanismus vereinbart
Konkret haben sich insgesamt 33 Unternehmen, die für rund 90 Prozent der chinesischen Produktion von Solarmodulen stehen, darauf geeinigt, ihre Produktion zu drosseln, berichtet etwa das chinesische Wirtschaftsmedium Yicai. In anderen Berichten war auch von Preisuntergrenzen die Rede. Die Konzernchefs kamen dafür vergangene Woche auf Einladung des chinesischen Photovoltaikverbandes in Yibin in der Provinz Sichuan im Südwesten Chinas zusammen. Die Konzerne scheinen es ernst zu meinen und haben sich offenbar sogar auf einen Durchsetzungsmechanismus verständigt. Der Branchenverband werde die Fabriken besichtigen, um die genauen Kapazitäten zu bestimmen, hieß es in weiteren Berichten. Wer künftig neue Fabriken in Betrieb nehmen wolle, müsse dafür alte stilllegen. Zudem habe man sich auf Strafen im Fall von Verstößen geeinigt. Unternehmen, die sich dem Pakt früher anschlössen, würden bevorzugt und erhielten höhere Produktionsquoten. Die F.A.Z. konnte die Angaben und weitere Gerüchte, die in der Branche kursieren, nicht überprüfen.
„Chinesische Unternehmen scheinen Schwierigkeiten zu haben, Allianzen zu bilden, im Gegensatz zu den Öl produzierenden Ländern des Nahen Ostens, die die Organisation erdölexportierender Länder gegründet haben“, zitierte Yicai die Managerin Jing Qian. Die Vizepräsidentin des Solarmodul-Riesen Jinko Solar soll sich Sichuan entsprechend skeptisch geäußert haben, hat damit aber selbst die Parallele zur Ölindustrie gezogen. Inzwischen gibt es ein erstes Zeichen, dass das Kartell greifen könnte. Anfang dieser Woche gab mit Longi der erste Großkonzern bekannt, die Inbetriebnahme einer Fabrik, die eigentlich für diesen Monat geplant war, um anderthalb Jahre zu verschieben. Als Grund führte er das „Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage“ an.
Enorme Überkapazitäten
Die Branche kämpft mit enormen Überkapazitäten. Schätzungen zufolge würden die Fabriken in China ausreichen, um das Zwei- bis Zweieinhalbfache der Weltnachfrage zu produzieren. Die Konzerne wollen sich gegenseitig aus dem Markt drängen. JA Solar etwa hat seine Modullieferungen in den ersten neun Monaten etwa um mehr als die Hälfte gesteigert. Der Umsatz ist aber nicht etwa gestiegen, sondern um knapp ein Zehntel gefallen. Statt knapp einer Milliarde Euro Gewinn macht der Konzern, der zu den größten Solarmodulproduzenten der Welt gehört, jetzt aber mehr als 60 Millionen Euro Verlust. Ein Watt kostet in China umgerechnet heute noch ungefähr 8 Eurocent, Anfang vergangenen Jahres waren es noch 22 Eurocent.
Grund für den enormen Wettbewerb ist vor allem das Verhalten der chinesischen Lokalregierungen, die ihre Städte zu Champions der Solarindustrie machen wollen. „Die lokalen Regierungen versuchen, Unternehmen anzuziehen, und die Banken wollen zu viel Geld verleihen“, sagte vor einigen Monaten Gao Jifan, Chef des Solarkonzerns Trina Solar. Dadurch gebe es „blinde Investitionen”. Die Lokalregierungen sollten die Robustheit der Unternehmen besser prüfen. Sie würden bisher Chaos verursachen, sagten andere Industrievertreter. Die Versuche, der Überkapazitäten Herr zu werden, laufen seit Monaten. Die Konzernchefs bettelten angesichts der schrumpfen Profite um ein Einschreiten Pekings. Im Sommer hieß es dann von der Nationalen Energiebehörde, man wolle die „Fabrikkapazitäten“ vernünftig steuern und man werde „doppelte“ Bauprojekte für Module minderer Qualität stoppen. Die Bilanzen der Unternehmen deuteten bisher nicht auf eine Besserung hin. Es folgten weitere Branchentreffen, in denen an einer Lösung gearbeitet wurde, die nun offenbar gefunden wurde.
Kartelle sind in China eigentlich verboten
Auch nach chinesischem Wettbewerbsrecht sei es grundsätzlich verboten, Kartelle zu bilden, erläutert Anwalt Jiawei Wang, Partner der Kanzlei Rödl und Partner, der sich dort unter anderem mit Wettbewerbsrecht beschäftigt. „Allerdings hat der chinesische Gesetzgeber auch Ausnahmesituationen verankert.“ Diese sind sehr weit gefasst und beinhalten etwa „offensichtliche Überproduktion, ausgelöst durch eine wirtschaftliche Depression“ oder die „Verbesserung der Produktqualität“.
Ob die Kartellbildung erfolgreich sein wird, darüber gehen die Meinungen auseinander. Die meisten chinesischen Beobachter geben sich vorsichtig optimistisch, dass die Preise nun vorerst zumindest nicht weiter sinken werden. Andere sind skeptisch: „Der Solarmarkt ist nicht wie der Ölmarkt“, schreibt Solaranalyst Youru Tan von der Denkfabrik Bloomberg NEF. „Es gibt einfach zu viele Solarhersteller.“ Der Anreiz sei zu groß, aus der Vereinbarung auszuscheren, Marktanteile zu gewinnen, Investoren zu beeindrucken und Kunden bei der Stange zu halten. Die Preise würden auch weiterhin sehr niedrig bleiben, prognostiziert Tan. Gleichzeitig ergebe sich laut Görg möglicherweise auch eine Chance: Nehme der Wettbewerb etwas ab, ergäben sich möglicherweise neue Kapazitäten für Produzenten aus der EU, meint der Fachmann,
Nichtsdestotrotz handelt es sich um eines der bisher deutlichsten Zeichen, wie die Volksrepublik auf die enormen Überkapazitäten in vielen Branchen reagiert. Diese sorgen nicht nur bei den Beteiligten in China, sondern auf der ganzen Welt für Unmut, weil die Volksrepublik den Rest der Welt mit Waren überschwemmt. Wegen der schwachen Nachfrage in China sinken die Preise und es werden mehr Güter exportiert. Die Exportdaten geben deren Ausmaß kaum richtig wieder, weil die Preise so stark sinken, dass die mengenmäßigen Ausfuhren noch viel größer sind.