Olympia 2024: Britische Olympiasiegerin Charlotte Dujardin ...
Charlotte Dujardin verzichtet auf einen Start bei den Olympischen Spielen in Paris 2024. Das hat die britische Olympiasiegerin heute Nachmittag bekanntgegeben. Hintergrund soll ein älteres Video sein, in dem Dujardin eine „Fehlentscheidung“ als Trainerin getroffen hat.
Charlotte Dujardin verzichtet auf die Teilnahme bei Olympia. Drei Tage vor der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Paris 2024 hat die Olympiasiegerin heute Nachmittag in den Sozialen Medien ihre Entscheidung öffentlich gemacht. Das Statement wurde auch über Presseagenturen verbreitet und wurde sofort in britischen Medien veröffentlicht.
Video zeigt „Fehleinschätzung“ der Olympiasiegerin von London und RioHintergrund scheint eine Untersuchung des Weltreiterverbandes (FEI) zu sein. Demnach ist ein Video aufgetaucht, aufgrund dessen sich die Olympiasiegerin von 2012 und 2016 entschieden hat, den Spielen in Paris fernzubleiben. In ihrer Mitteilung spricht sie von einer Situation, in der sie als Trainerin tätig war und es zu einer „Fehleinschätzung“ gekommen ist. Was damit genau gemeint ist, war zunächst nicht klar. Es sei „completely out of character“ wie sie sich verhalten habe, also „total außerhalb der Norm“, formuliert sie im englischen Original.
UPDATE: Ist Handarbeit der Grund für Verzicht?Die britische Tageszeitung The Telegraph meldete ca. eine Stunde nachdem die Nachricht von Dujardins Statement bekannt geworden war, dass es sich um „Schläge auf Beine“ eines Pferdes gehandelt haben soll. Im Text (hier das Original) ist von „Zeitlupen-Trab“ („slow-motion trot“) die Rede. Nach Informationen des Telegraph habe ein Whistleblower das Video einem niederländischen Rechtsanwalt übergeben, damit dieser eine Veröffentlichung ermögliche. Weiter schreibt das Blatt auf seiner Webseite, es würde davon ausgegangen, dass ein Medienunternehmen in den Niederlanden mittlerweile im Besitz des besagten Videomaterials sei.
Demnach habe Dujardin das Pferd, das von jemand anders geritten wird, beim Piaffieren wiederholte Male an die Beine geschlagen. Die Aufnahmen sollen auf einem „Bildungstag“ auf der Anlage einer bekannten Figur aus der Dressurszene entstanden sein. Weiterhin zitiert das Blatt einen Insider, der von einem bewusst gewählten Zeitpunkt spricht. Vor zwei Tagen hatte der Weltreiterverband (FEI) eine Kampagne gestartet, in der die Rolle der Reiterinnen und Reiter als „Guardians“, also Wächter, der Pferde gefeiert wurden (das Video zur Kampagne finden Sie hier).
Klage soll Montag. 9 Uhr, bei FEI eingegangen seinDie niederländische Webseite horses.nl meldet den Namen des Rechtsanwalts. Es soll sich bei ihm um den bekannten Anwalt Stephan Wensing handeln. Der Jurist ist nach Selbstaussage Trainer seins Sohns und auch Richter im Reitsport. Im Gegensatz zur Darstellung im Telegraph wird Wensing, dessen Auftraggeber anonym bleiben möchte, dahingehend zitiert, dass es sich um ein Video handelt, das 2,5 Jahre alt ist. Außerdem habe Dujardin mit einer Peitsche auf die Beine des Pferdes geschlagen.
Weiterhin sagte Wensing gegenüber Horses.nl: „Es kann nicht sein, dass der Dressursport mit Tierquälerei einhergeht. Wenn Spitzensport nur so betrieben werden kann, dass das Wohl des Pferdes gefährdet ist, sollte man den Spitzensport besser abschaffen. Jeder, der mit Pferden umgeht, hat dabei seine eigene Verantwortung und das gilt auch für Zuschauer, die Exzesse zur Kenntnis nehmen. Der Pferdesport sollte sich selbst regulieren und dafür sorgen, dass es nie wieder eine Diskussion über das Wohl des Pferdes im Sport geben kann.“
Weiterhin beklagt der reitende Rechtsanwalt, dass die krampfigen Bewegungsabläufe von den Dressurrichtern deutlicher geahndet werden müssten. „Von den Verbänden und insbesondere der FEI sollte erwartet werden, dass sie noch angemessener gegen Tierquälerei vorgehen, gerade um das Überleben des Pferdesports zu sichern“, endet die Stellungnahme von Wensing.
Hier eine Übersetzung des englischsprachigen Originaltextes:
„Es ist ein Video von vor vier Jahren aufgetaucht, das zeigt, wie ich während einer Trainingseinheit eine Fehleinschätzung mache. Es ist verständlich, dass der Internationale Pferdesportverband (FEI) den Vorfall untersucht, und ich habe beschlossen, mich von allen Wettkämpfen – einschließlich der Olympischen Spiele in Paris – zurückzuziehen, solange dieser Prozess läuft.
Statement zum Olympia-Verzicht von Charlotte Dujardin 2024 (© Hintergrund v. Korff)
Was passiert ist, war völlig untypisch und spiegelt nicht die Art und Weise wider, wie ich meine Pferde ausbilde oder meine Schüler trainiere, aber es gibt keine Entschuldigung. Ich schäme mich zutiefst und hätte in diesem Moment ein besseres Beispiel geben müssen. Für mein Verhalten entschuldige ich mich aufrichtig und bin am Boden zerstört, dass ich alle im Stich gelassen habe, einschließlich des Teams GB, der Fans und der Sponsoren.
Ich werde mit der FEI, dem Britischen Pferdesportverband und British Dressage während ihrer Untersuchungen voll und ganz kooperieren und werde mich nicht weiter äußern, bis der Prozess abgeschlossen ist“
FEI sperrt DujardinDer Weltreiterverband hat mittlerweile die Sportlerin für ein halbes Jahr gesperrt. Der britische Pferdesportverband hatte sich eine Stunde nach Bekanntwerden des Startverzichts der Olympiasiegerin von London und Rio noch nicht offiziell geäußert. Auch nach der FEI-Sperre meldete der Verband das Olympia-Aus von Charlotte Dujardin zunächst nicht.
Charlotte Dujardin ist eine der populärsten Sportlerinnen im Team GB. Mit sechs Olympischen Medaillen ist sie gemeinsam mit der Radrennfahrerin Laura Kenny die erfolgreichste Olympia-Sportlerin des Vereinigten Königreichs. Eine weitere Medaille, die angesichts der Stärke des britischen Dressurteams eigentlich eine Selbstverständlichkeit hätte sein sollen, hätte sie Kenny überholen lassen. Das ist nun wegen Dujardins Sperre nicht mehr zu schaffen.
An Stelle der Einzel-Olympiasiegerin der Spiele 2012 in London und 2016 in Rio müsste nun Becky Moody mit Jagerbomb in die Dressurequipe des Team GB nachrücken, Der Dante Weltino-Sohn ist in den vergangenen Monaten in mehreren Grand Prix Specials mit Noten zwischen 74 und 76 Prozent beurteilt worden. Im Grand Prix Special fällt in Paris die Entscheidung in der Mannschaftswertung a, 3. August (hier geht’s zum Zeitplan).
Chefredakteur ab 2012, seit 2003 beim St.GEORG. Pferdejournalist seit 1988. Nach Germanistik/Anglistik-Studium acht Jahre tätig bei öffentlich rechtlichem Rundfunk, ARD, SFB, RBB in Berlin. Familienvater, Radiofan, TV-erfahren, Moderator, Pferdezüchter, Podcasthost, Preise: Silbernes Pferd, Alltech Media Award. Präsident Internationale Vereinigung der Pferdesportjournalisten (IAEJ).