Baden-Württemberg: CDU setzt grünen Koalitionspartner bei ...

Die CDU-Landtagsfraktion in Baden-Württemberg dringt nach den Auseinandersetzungen am Wochenende unter verfeindeten eritreischen Gruppierungen in Stuttgart auf eine schnelle und umfassende Reform der Migrationspolitik. Eine wesentliche Forderungen des Papiers ist die konsequentere Abschiebung von straffällig gewordenen Flüchtlingen.

Hierzu sollen der Landfriedensbruch und der schwere Landfriedensbruch in den Katalog der Straftaten im Aufenthaltsgesetz aufgenommen werden, die ein Ausweisungsinteresse begründen. „Bei Verurteilungen zu Freiheitsstrafen, die nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden können, ist eine Abschiebung zwingend. Die entsprechenden rechtlichen Voraussetzungen sind für diese Fälle zu schaffen“, heißt es in dem Beschluss, der der F.A.Z. vorliegt.

Die Bundesregierung soll außerdem Staaten, die bei der Feststellung der Identität von Flüchtlingen oder beim Aushandeln von Rücknahmeabkommen nicht kooperieren, Unterstützungszahlungen streichen. Künftig soll es Flüchtlingen auch erschwert werden, mit dem Stellen eines Asylfolgeantrags eine Abschiebung hinauszuzögern. Ausreisepflichtigen Flüchtlingen sollen nur noch Sachleistungen in der Höhe des absoluten Mindestbedarfs bekommen. Seenotrettungsorganisationen, die Flüchtlinge nicht zum nächstgelegenen Hafen, sondern an entfernter liegende Mittelmeer-Häfen der Europäischen Union bringen, soll die finanzielle Unterstützung entzogen werden.

Der Beschluss umfasst zwölf Punkte, nicht alle Forderungen sind neu. So fordern die Landtagsabgeordneten der CDU auch, die Zahl der sicheren Herkunftsländer auf die Maghreb-Staaten auszuweiten. Nach dem Willen der CDU soll aus dem Papier schon in wenigen Wochen eine gemeinsame Bundesratsinitiative mit dem grünen Koalitionspartner werden. Inhaltlich richtet sich der Vorstoß auch gegen die Migrationspolitik der Ampelkoalition in Berlin.

CDU sieht starke Zuwanderung als dominierendes Thema

In Baden-Württemberg will die CDU mit dem Forderungskatalog den grünen Koalitionspartner unter Druck setzen. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Manuel Hagel hatte nach dem Ende der parlamentarischen Sommerpause mehrfach öffentlich erklärt, dass es in den Wahlkreisen der 42 Landtagsabgeordneten derzeit nur ein dominierendes Thema gebe: die Sorgen über die starke Zuwanderung.

Hagel ist zudem der Auffassung, dass nur „pragmatische und tatsächliche Lösungen“ für die Migrationskrise die Bürger überzeugen können, die etablierten Parteien zu wählen und nicht die rechtspopulistische und in Teilen rechtsextremistische AfD. In einer Umfrage von Infratest dimap Mitte Juli im Auftrag des SWR hatte die AfD auf Landesebene erstmals 19 Prozent erreicht.

Auch bei Grünen und SPD wächst die Sorge, dass ein Fortschreiten der Migrationskrise zu einem katastrophalen Ergebnis der Europa- und Kommunalwahl im nächsten Jahr führen könnte. Diese Sorge äußerte zum Beispiel erst vor wenigen Tagen der Karlsruher Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD). Er sagte, im linken politischen Spektrum gebe es derzeit „kein überzeugendes Angebot“, deshalb könne die Verunsicherung der Wähler noch größer werden. Die Grünen fürchten bei der Kommunalwahl im Juni 2024 ebenfalls massive Verluste, denn sie hatten 2019 stark von der Klimaschutzbewegung profitiert. Auch einige grüne Landtagsabgeordnete berichten aus ihren Wahlkreisen, dass in der Bevölkerung die Unzufriedenheit mit der Migrationspolitik spürbar ist.

Nach Baden-Württemberg kommen an manchen Tagen mehr Flüchtlinge als während der Flüchtlingskrise 2015/2016, häufig sind es mehr als 300 Flüchtlinge aus Syrien, der Türkei, Iran und einigen afrikanischen Staaten. Auch der Zuzug aus dem Kriegsgebiet in der Ukraine ist weiterhin stark, in dieser Woche registrierten die Behörden an einem Tag sogar wieder 500 Flüchtlinge aus der Ukraine.

In Regierungskreisen heißt es, wenn sich nichts ändere, könnte es schon im Herbst so weit sein, dass sich ein Landkreis oder eine Gemeinde weigere oder weigern müsse, weitere Flüchtlinge aufzunehmen. Es könne dann beispielhaft zu einem Rechtsstreit kommen, die Kommunen könnten sich dann auf den Rechtsgrundsatz „Ultra posse nemo obligatur“ beziehen, nach dem es keine rechtliche Verpflichtung geben darf, die eine Institution unmöglich erfüllen kann. Derzeit gibt es an nahezu allen Standorten, an denen die grün-schwarze Landesregierung neue Kapazitäten für die Landeserstaufnahme schaffen will, Proteste und Widerstände der Bevölkerung.

Das Vorgehen der CDU-Landtagsfraktion mit ihrem Beschluss zur Migrationspolitik ist politisch ungewöhnlich: Die Fraktion fordert Innenminister Thomas Strobl und Migrationsministerin Marion Gentges (beide CDU) auf, aus dem Zwölf-Punkte-Papier eine Bundesratsinitiative zu entwickeln, die dann gemeinsam mit den Grünen eingebracht werden soll. Normalerweise einigen sich die Regierungspartner im Kabinett darauf, Bundesratsinitiativen zu verfassen. Ob sich die Grünen zu einer gemeinsamen Bundesratsinitiative entschließen können, ist derzeit unklar.

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