Berühmte Schrottimmobilie in Bremerhaven erstrahlt in neuem Glanz
Standdatum: 23. Oktober 2023.
Bild: Radio Bremen/Heidi Ulrich
Das Haus Goethestraße 60 wurde früher als "Mutter aller Schrottimmobilien" betitelt. Jetzt ist das Gründerzeithaus im Stadtteil Lehe fertig saniert.
So gut wie alles ist neu gemacht in der Goethestraße 60: Das Eichenparkett im Fischgrät-Muster in den Zimmern, der schwarze Schieferboden im Bad, eine Dusche mit Sitzfläche, ein begehbarer Kleiderschrank und ein Fahrstuhl. Im Januar sollen die neuen Mieter einziehen. Dabei drohte dem Haus schon der Abriss, denn kaum jemand hielt es für sanierbar – abgesehen von Rolf Thörner. Der Investor kaufte das Gründerzeithaus vor sechs Jahren.
Der Zustand war so, dass Sie sich in den Keller stellen und unters Dach gucken konnten, weil alle Decken rausgefault waren. Es war 15 Jahre ein Leerstand und auch davor war das Haus nicht gut unterhalten.
Rolf Thörner, Investor und Immobiliensanierer
Rolf Thörner hat die Goethestraße 60 sanieren lassen. Bild: Radio Bremen/Heidi Ulrich
Rolf Thörner hat alle Decken erneuern lassen, genau wie die Wasser- und Stromleitungen. Auch das Dach wurde neu gedeckt. Die Heizung verbirgt sich in der Decke und wird über eine Wärmepumpe betrieben. Eine Gastherme kann zugeschaltet werden. Jetzt ist noch der Feinschliff dran. Die letzten Malerarbeiten laufen und die Fußböden werden verlegt. Das Haus wieder herzurichten, kostet den Altbau-Spezialisten 3,6 Millionen Euro, etwa 20 Prozent davon sind Mittel aus der Städtebauförderung.
Gebäude wurde vor 113 Jahren erbautRolf Thörner schließt die Tür im Erdgeschoss auf: "Das hier soll mal der Gemüseladen werden. Wir möchten sechs Gemüsebauern dazu bewegen, hier ihre Produkte zu verkaufen". Im künftigen Verkaufsraum stehen Säulen mit Kapitellen. Die Wände sind mit Getreideähren und Blumen aus Stuck verziert. Die finden sich auch in den Wohnungen. Aus anderen Immobilien in Bremerhaven wurden Stuckformen abgenommen und hier wie vor 100 Jahren nachgegossen.
Typisch Gründerzeit: Stuck verziert die Decken in den Wohnungen der Goethestraße 60. Bild: Radio Bremen/Heidi Ulrich
Denn der Investor wollte das Haus von 1910 möglichst originalgetreu wiederherrichten. So sind etwa die Türen und das Treppenhaus noch aus der Gründerzeit, alles restauriert. Die Wohnungen verteilen sich auf vier Etagen, in einer wohnt Rolf Thörner selbst. Er sagt, dass die Nettokaltmiete bei 7,50 Euro pro Quadratmeter liegen soll. Ganz unten soll noch ein Auflauf-Restaurant neben dem Gemüseladen einziehen.
Auf der anderen Straßenseite wirft Angela Rimbach einen Blick auf die weiß gestrichene Fassade mit den brauen Holzfenstern und goldenen Verzierungen. Sie wohnt seit 40 Jahren in der Goethestraße und hofft auf nette Nachbarn. Sie ist froh, dass das Eckhaus saniert wurde.
Wunderbar! Wenn es noch mehr werden, freuen wir uns darüber. Also wir sind ja Eigentümer und wir haben das alles miterlebt, wie die Straße früher ausgesehen hat und wie es dann immer schlimmer wurde – und jetzt wieder schöner.
Angela Rimbach, Bewohnerin der Goethestraße
Denn im Goethequartier gibt es noch andere verwahrloste und leerstehende Gebäude. Der Chef der Städtischen Wohnungsgesellschaft Bremerhaven (Stäwog), Sieghard Lückehe, schätzt, dass weitere 20 bis 30 Gebäude in einem katastrophalen Zustand sind. Einige davon stehen seit Jahren leer. Die meisten sind in Privatbesitz. Teilweise sei es schwierig, an die Besitzer überhaupt ranzukommen oder sie davon zu überzeugen, zu verkaufen, erklärt der Stäwog-Chef. Es gibt aber noch ein anderes Problem:
Dass viele Häuser einfach Spekulationsobjekte sind. Man investiert in ein Haus, man hat nicht vor, irgendeinen Euro in Modernisierung zu investieren und geht davon aus, dass das Gebäude irgendwann zu einer sehr hohen Rendite weiterverkauft wird.
Sieghard Lückehe, Stäwog-Chef
Bezugsfertig: Eines der Zimmer in der frisch sanierten Goethestraße 60. Bild: Radio Bremen/Heidi Ulrich
Die Stäwog hat mehrere solcher Häuser erworben. Weitere sollen dazukommen. Außerdem sind mehrere Häuser im Goetheviertel schon saniert oder sind im Prozess der Sanierung. Manche Häuser saniert die Stäwog selbst, andere werden von weiteren Wohnungsgesellschaften und privaten Investoren saniert. Sieghard Lückehe betont, dass niemand verdrängt werden solle. Er hofft, dass das Viertel für mehr Menschen attraktiv wird – zum Beispiel für junge Menschen, Kreative oder Studierende. Er wünscht sich, dass das Quartier bunter und gemischter wird.
Da bin ich optimistisch, dass wir das auch noch in den nächsten Jahren sehen werden, dass es so ein angesagtes Szene-Quartier wird.
Sieghard Lückehe, Stäwog Chef
Bisher lockt die ehemalige "Mutter aller Schrottimmobilien“ zumindest viele Neugierige an. Rolf Thörner erzählt, zu einer offenen Besichtigung seien an einem Tag 400 bis 500 Menschen gekommen.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 22. Oktober 2023, Das Wochenende aus Bremerhaven, 12:40 Uhr