Urteil des Berichts zu Biden: Er hat ein schlechtes Gedächtnis

Ein amerikanischer Sonderstaatsanwalt hält in einem Bericht fest, Biden sei ein «älterer Mann mit schlechtem Gedächtnis»

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Foto Neue Zürcher Zeitung - NZZ

Die Einschätzung über Bidens Gedächtnisleistung hat Sprengkraft. Für den Präsidenten bietet der Bericht zur Untersuchung über die gehorteten Regierungsdokumente nur einen schwachen Trost: Er wird nicht angeklagt.

Der amerikanische Präsident Joe Biden entgeht einer Strafverfolgung bezüglich der geheimen Dokumente in seinem Haus.

Kevin Lamarque / Reuters

Die Strahlkraft des Berichts, den der Sonderermittler Robert Hur am Donnerstag veröffentlicht hat, wird weit über das Ereignis hinaus im politischen Washington wirken. Präsident Joe Bidens Gegner werden dafür sorgen, dass die Halbwertszeit der Informationen möglichst in die Länge gezogen wird. Im Bericht steht, dass Biden ein «gutmeinender, älterer Herr mit einem schlechten Gedächtnis» sei. Das ist für einen 81-jährigen Mann, der im Weissen Haus sitzt und dort bis in sein 87. Lebensjahr hinein bleiben will, eine ziemliche Wucht.

Der Bericht entstand, nachdem FBI-Beamte im letzten Jahr Dutzende Personen und im vergangenen Oktober Joe Biden persönlich während fünf Stunden ausführlich dazu befragt hatten, wieso er nach seiner Zeit als Vizepräsident als geheim klassifizierte Regierungsdokumente in privaten Räumen aufbewahrte. Für den Präsidenten gibt es nur etwas Gutes an dem Bericht: Er hält fest, dass Biden wegen dieses Fehlverhaltens nicht angeklagt werden soll.

Das ist aber angesichts der Aussagen über Bidens Gedächtnis ein schwacher Trost. Denn die amtliche Botschaft aus dem Justizministerium trifft Bidens Achillesferse, sein Alter. In Umfragen äussern sich die Befragten immer wieder besorgt darüber, ob der 81-Jährige die Last des Amtes noch stemmen kann. Viele potenzielle demokratische Wählerinnen und Wähler halten Biden für schlicht zu alt für eine zweite Präsidentschaft. Der Präsident ist unter anderem auch deshalb unbeliebt.

Der Sonderermittler Robert Hur, der den Bericht verantwortet, wurde von Justizminister Merrick Garland auf den Fall angesetzt. Von Hur ist bekannt, dass er der Republikanischen Partei nahesteht. Er bekleidete das Amt eines Staatsanwalts unter der Präsidentschaft von Donald Trump.

Joe Biden wirkt zuweilen fahrig

Es ist eine Tatsache, dass Biden bei Auftritten zuweilen fahrig wirkt. Sein Gang ist verzögert, seine Aussprache undeutlich. Dies muss auch Bidens engen Mitarbeitern Sorgen bereiten. Am Donnerstag hat sich Biden gegen die Vorwürfe am Rande einer Pressekonferenz verteidigt. Er war sichtlich ungehalten über die Aussage des Sonderermittlers, dass er sich nicht einmal an das Todesdatum seines Sohns Beau erinnern könne. «Ich bin», so Biden, «ein älterer Mann, und ich weiss, was zum Teufel ich tue. Ich bin Präsident, und ich habe dieses Land wieder auf die Beine gebracht.»

Beim Beantworten einer Frage zum Gaza-Krieg verwechselte er darauf aber gleich die Namen des mexikanischen und des ägyptischen Präsidenten. Es ist längst nicht das erste Mal, dass dem Präsidenten solche Fehler unterlaufen.

Das alles bietet reichlich Angriffsfläche für seinen Herausforderer Trump, der Bidens ungelenke Erscheinung bei seinen Wahlkampfveranstaltungen jetzt schon nachäfft. Nun kann er sein Arsenal gegen Biden auch noch um Aussagen aus einem amtlichen Bericht aufstocken. Die Frage steht im Raum, ob ein Bericht mit einem solch niederschmetternden Urteil über die Gedächtnisleistung des amtierenden Präsidenten nicht einen Niedergang einläutet, den auch die besten Spin-Doctors nicht mehr abwenden können.

Bereits im November war Bidens Alter in den Schlagzeilen – nicht zum ersten Mal, aber zum ersten Mal mit viel Sprengpotenzial. Damals hatte der Strategieberater und Weggefährte von Barack Obama, David Axelrod, die Demokratische Partei davor gewarnt, nochmals mit Biden ins Rennen zu steigen. Sein Alter sei schlicht nicht wegzudiskutieren und belaste die Partei viel zu stark.

Donald Trump wegen Dokumentenaffäre angeklagt

Wie Trump, so wurde Ende 2022 bekannt, hatte auch Biden Regierungsdokumente in privaten Räumlichkeiten gehortet. Darunter waren als geheim klassifizierte Dokumente über Afghanistan. Amerikanische Präsidenten und Vizepräsidenten sind verpflichtet, sämtliche Dokumente nach ihrer Amtszeit dem Nationalarchiv zu übergeben. Das Horten und Weitergeben von als geheim eingestuften Regierungsinformationen ist strafbar.

Trump hatte in seinem Anwesen in Mar-a-Lago zahlreiche Kisten verstaut. Bei Biden befanden sich die Regierungsdokumente unter anderem in seiner Garage in Wilmington neben Golfschlägern und kaputten Lampen. Trump wurde im Juni 2023 unter anderem wegen Justizbehinderung und bewusster Zurückhaltung von Geheimdokumenten angeklagt. Im Gegensatz zu Trump zeigte sich Biden von Anfang an kooperativ und rückte die Dokumente sofort heraus. Für Joe Biden hat die Untersuchung nun kein juristisches Nachspiel – aber ein politisches.

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