Joe Biden: Jetzt wollen auch noch die Spender streiken

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Foto ZEIT ONLINE

Superreiche Unterstützer von Joe Biden wollen sich dessen Blamagen nicht länger anschauen: Die Spendenbereitschaft sinkt. Entscheidet das am Ende über seine Kandidatur?

12. Juli 2024, 11:12 Uhr

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Joe Biden mit seiner Frau Jill bei einer Zeremonie vor dem Weißen Haus anlässlich des 75-jährigen Bestehens der Nato © Ken Cedeno/​Reuters

Millionen New Yorker schwitzen bei über 30 Grad in der Stadt, derweil sind ihre betuchteren Nachbarn längst in ihre klimatisierten Anwesen in den Hamptons geflüchtet. Der Küstenstreifen, knapp 45 Minuten mit dem Helikopter, lockt mit dem Charme von Dörfern, mit einfachen grau geschindelten Häusern, weiß getünchten Kirchen aus der Kolonialzeit, Pinienwäldern, Dünen und weiten Sandstränden, die allein den Anwohnern vorbehalten sind. Man trifft sich beim Bridgehampton-Poloturnier oder spielt eine Runde im Shinnecock Hills Golf Club und hat einen Stammplatz bei Nick & Toni's, dem Lieblingsitaliener der Hampton High Society.

Doch in den letzten Tagen stochern viele hier nur lustlos im Hummersalat. Es sind Unterstützer von Präsident Biden. Zwei Wochen ist die TV-Debatte jetzt her, bei der ihr Kandidat Unzusammenhängendes stammelnd gegen einen fast gleich alten, aber energiegeladenen Trump verlor. Auch Bidens Auftritte beim Nato-Gipfel diese Woche, bei denen er unter anderem den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zunächst irrtümlicherweise als "Präsident Putin" vorstellte und Vizepräsidentin Kamala Harris mit Trump zu verwechseln schien, sorgten für Augenrollen.

Anders als andere frustrierte Anhänger der Demokraten haben es diese privilegierten Sommerfrischler – Topbanker, Hedgefonds-Milliardäre, Private-Equity-Investoren – allerdings in der Hand, Bidens Kandidatur zu beenden. Schließlich braucht der 81-Jährige ihre Millionen, um seinen Wahlkampf zu finanzieren. Und das mehr denn je: Der Wahlkampf 2020 kostete laut Open Secrets, einem unabhängigen Washingtoner Institut, das Wahlkampfspenden verfolgt, über 14 Milliarden Dollar. (Dabei sind die Wahlen für die Kongressmitglieder eingerechnet.) Die aktuelle Runde soll laut den Prognosen noch teurer werden. 

Blackstone unterstützt Trump

Bis vor wenigen Wochen hatte Biden, der als einer der erfolgreichsten Spendeneinsammler in Washington gilt, in finanzieller Hinsicht die Nase deutlich vorn. Doch inzwischen hat sich das Verhältnis umgekehrt. Während Bidens Kampagne laut eigener Aussage Anfang des Monats über Barmittel von immerhin 240 Millionen Dollar verfügte, befanden sich in Trumps Wahlkampfkasse laut letzter Meldung rund 285 Millionen Dollar. 

Trumps Kampagne gewann zuletzt einige prominente Großspender, wie etwa Stephen Schwarzman, Gründer und CEO von Blackstone, mit einer Billion Anlagevermögen die größte Private-Equity-Firma der Welt, sowie Timothy Mellon, Erbe und Nachfahre des amerikanischen Gründerzeitenmoguls Thomas Mellon. Viele von Bidens Finanziers haben dagegen durchblicken lassen, dass sie ihre Scheckbücher vorerst nicht mehr zücken werden. "Der Mittelzufluss ist dabei zu versickern", klagte ein anonymer Finanzier, der seit Jahrzehnten Spenden für die Demokraten auftreibt, in der Financial Times. Viele hielten sich mit lauten Rückzugsforderungen zurück, sagte ein anderer dem Nachrichtendienst Bloomberg. Man wolle den Eindruck vermeiden, die Finanzbranche würde Druck ausüben. 

Während die meisten Wall-Street-Vertreter sich scheuen, mit ihren Zweifeln namentlich an die Öffentlichkeit zu gehen, sind Bidens Unterstützer in Hollywood von geradezu brutaler Offenheit. "Es ist niederschmetternd, aber der Joe Biden, mit dem ich vor drei Wochen auf der Benefizveranstaltung zusammen war, war nicht der Joe Biden von 2010, der 'big f-ing deal'. Er war nicht einmal der Joe Biden von 2020. Es war derselbe Mann, den wir alle bei der Debatte gesehen haben", schrieb George Clooney in der New York Times. Clooneys Forderung, Biden solle schleunigst Platz machen für eine alternative Kandidatin oder Kandidaten, dürfte den Präsidenten hart treffen. Der Hollywoodstar ist nicht nur wegen seiner Bekanntheit wichtig. Er gehörte zu Bidens eifrigsten und erfolgreichsten Spendeneinsammlern.

US-Präsident Joe Biden © Kent Nishimura/​Getty Images Disney-Erbin wendet sich von Biden ab

Die von Clooney in seinem Kommentar erwähnte Veranstaltung im Juni hatte der Schauspieler in Los Angeles organisiert. Dort trat neben seiner Kollegin Julia Roberts und Late-Night-Talker Jimmy Kimmel auch Barack Obama auf. Rund 28 Millionen Dollar spülte der Event in die Kassen von Bidens Kampagne. Auch Abigail Disney, die Enkelin von Disney-Mitgründer Roy Disney und eine langjährige großzügige Unterstützerin der Demokraten, hat angekündigt, dass Bidens Kampagne von ihr keinen Cent mehr zu erwarten habe. "Ich beabsichtige, keine Beiträge mehr an die Partei zu leisten, bis sie Biden an der Spitze der Kandidatenliste ersetzen. Das ist Realismus, nicht Respektlosigkeit", erklärte die Erbin des Entertainmentclans gegenüber dem Börsensender CNBC. Biden sei ein guter Mann und habe seinem Land in bewundernswerter Weise gedient, aber es stehe viel zu viel auf dem Spiel, so Disney. 

Mit dem Streik der Spender konfrontiert, zeigt sich Biden bisher unbeeindruckt. "Es ist mir egal, was die Millionäre denken, ich trete nicht für sie an", sagte er bei einem Auftritt im Kabelsender MSNBC. Stattdessen konzentriere sich sein Team auf Normalverdiener, die kleine Beträge überweisen. Gleichzeitig hat Bidens oberste Wahlkampforganisatorin Jennifer O'Malley Dillon angekündigt, man werde die Aktivitäten in den wichtigen Bundesstaaten wie Michigan, Wisconsin und Pennsylvania hochfahren. In allen drei Bundesstaaten muss Biden im November gewinnen. 

Bleiben die großen Beträge ausgerechnet in dieser heißen Phase des Wahlkampfes aus, wird dieses Vorhaben allerdings schwieriger. Fest steht: Wer unentschlossene Wähler in den kommenden dreieinhalb Monaten überzeugen will, muss genug Mittel für Werbung im TV und in den sozialen Medien zur Verfügung haben: für Berater und Mitarbeiter, für Büros, Flüge, Mietwagen und mehr. Teuer ist vor allem auch die Logistik, um die Teams von Freiwilligen zu organisieren, die vor allem in den entscheidenden Bundesstaaten an Tausende Türen klopfen, um persönlich an Wähler zu appellieren. Allein im Juli will O'Malley Dillon über 50 Millionen Dollar für Wahlwerbung ausgeben.

Republikaner spotten "Bi-DONE"

In privaten Telefonkonferenzen räumte Biden auch ein, dass er auf die großzügigen Schecks seiner wohlhabenden Anhänger nicht verzichten kann. "Es ist wichtig", habe er ihnen versichert, so erzählten es Teilnehmer der Runde später der New York Times. Prominente wie Hedgefonds-Manager Anthony Scaramucci, einst ein Trump-Anhänger und kurzzeitig dessen Sprecher, doch nun im Lager von Biden, oder Silicon-Valley-Schwergewicht Reid Hoffman, Gründer der sozialen Medienplattform LinkedIn, sind nicht nur wichtig, weil sie selbst spenden. Noch wichtiger ist ihr soziales Netz. Als sogenannte Bundler, Bündler, bitten sie Freunde, Bekannte und Angehörige, ihren Favoriten finanziell zu unterstützen. 

Oft laden Bundler zu Veranstaltungen wie exklusiven Dinnerpartys. Um dabei sein zu dürfen, schreiben die Gäste dann einen entsprechenden Scheck für die Kampagne. Kurz nach Bidens Niederlage im TV-Duell hatte Barry Rosenstein, Gründer des Hedgefonds Jana, in seine Luxusvilla in den Hamptons gebeten. Der Präsident und seine Frau Jill reisten eigens dafür im Marine One an, einem Helikopter der US-Marine. Wer die Bidens erleben wollte, von dem wurden mindestens 3.300 Dollar erwartet. Für eine Spende in Höhe von 250.000 Dollar gab es eine private Audienz mit dem amtierenden Präsidenten, inklusive Foto. Nicht alle Gäste waren hinterher jedoch überzeugt von dem Kandidaten. Biden habe eine Viertelstunde gesprochen – und trotz der kurzen Rede in einem inoffiziellen Umfeld vom Teleprompter abgelesen, berichtete ein Teilnehmer der digitalen Medienseite The Wrap. Die Stimmung dürfte sich auch nicht gerade gebessert haben, als eine kleine Propellermaschine mit einem Banner über das Anwesen der Rosensteins flog, während die Gäste an ihrem Aperitif nippten. Ein Trump-Anhänger hatte den Flieger gechartert. Die Botschaft, die er hinter sich her zog: "Bi-DONE", sinngemäß "Biden ist fertig".

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