Biathlon: Benedikt Doll erlöst DSV-Team nach 1092 Tagen
Stand: 15.02.2024 08:55 Uhr
Nicht wenige sprachen bei den deutschen Männern von einem Medaillen-Fluch. Der ist nun mit dem Erfolg von Benedikt Doll gebrochen. Seine Bronze-Medaille im WM-Einzel ist eine Befreiung für das DSV-Team. Dem Erfolg des Schwarzwälders geht in dieser Saison eine Achterbahnfahrt am Schießstand voraus.
Es ist nur eine kleine Geste, in der doch so viel Bedeutung steckt. Als sich das gesamte deutsche Team nach der Siegerehrung zum obligatorischen Gruppenfoto um Benedikt Doll herum versammelt, winkt der 33-Jährige noch schnell die Skitechniker heran. Die sind ein paar Meter weiter, noch in Sichtweite des Podests, schon wieder mittendrin, um die bestmöglichen Skier für die kommenden Tage zu finden.
Dass ihr Benni gerade seine WM-Bronzemedaille im Einzel bejubelt, ist zwar schön, aber Arbeit geht vor. Kurz unterbrechen sie dann doch ihren Prozess, steigen zur restlichen Delegation hinauf auf die kleine Bühne. Und dann: Drei, zwei, eins - "Jaaaa" schallt es durch die fast leere Arena. Ein Schrei wie eine Befreiung. Die Klickgeräusche der Kameras werden schneller, die Fotografen drücken immer wieder ab. Das sind Bilder für die Ewigkeit.
"Ich bin so wahnsinnig stolz, dass ich mir das heute nochmal beweisen konnte", erzählt ein spürbar angefasster Benedikt Doll, als ein paar Minuten zuvor feststeht, dass er die zweite WM-Medaille seiner Karriere gewinnen wird: "Wir haben im Männer-Team in den letzten Jahren immer gute Rennen gemacht und nie kam eine Medaille dabei herum. Ich freue mich so sehr für das gesamte Team. Auch unsere Techniker haben nach dem letzten Wochenende dann am Montag und Dienstag so viel geackert. Und heute wurden wir dafür belohnt."
Das Warten hat endlich ein Ende1.092 Tage musste das deutsche Männer-Team sich gedulden. 1.092 quälend lange Tage ist es her, dass die deutschen Herren bei einem Großereignis eine Medaille gewinnen konnten. 2023 bei der Heim-WM in Oberhof gingen sie leer aus. Eine herbe Enttäuschung. 2022 bei den Olympischen Spielen gab es ebenfalls nichts zu bejubeln. Der bis dato letzte DSV-Skijäger, der sich über eine WM-Medaille freuen konnte, hieß Arnd Peiffer. Der ist seines Zeichens jetzt Sportschau-Experte und schnappte sich damals im Einzel auf der slowenischen Pokljuka Silber. Am 17. Februar 2021 war das.
"Wäre es heute ein gutes Rennen von mir gewesen und ich wäre dabei Vierter geworden - ich wäre trotzdem enttäuscht danach", sagte Doll. Vor allem am Schießstand zeigte der Routinier im WM-Einzel jedoch kein gutes Rennen - sondern ein herausragendes. "Endlich wieder" möchte man fast sagen, denn diese Saison war für Doll eine Achterbahnfahrt. Und die hat mit 78 Prozent zu tun.
Zu unbeständig am Schießstand - und doch zum richtig Zeitpunkt da78 Prozent ist die Trefferquote von Benedikt Doll beim Schießen in dieser Saison. Das ließ vor dem WM-Einzel von Nove Mesto nichts sonderlich Gutes erahnen. Seit seinem Sprint-Sieg in Oberhof im Januar hatte sich Dolls Schießleistung in den darauffolgenden Weltcups um vier Prozent verschlechtert - das ist im Biathlon eine Menge. "Ich habe schon in letzter Zeit Zweifel gehabt, ob ich es am Schießstand nervlich hinbekomme", berichtet der Team-Kapitän: "Im Training habe ich mich gut gefühlt und es doch im Wettkampf dann nicht hingekriegt." Auch bei diesen Weltspielen wirkte er am Schießstand unsicher, schoss im Sprint zwei und in der Verfolgung sogar vier Mal daneben. "Jetzt habe ich es heute einfach bewiesen. Es ist eine riesige Befriedigung, dass ich zeigen konnte, dass ich es kann."
15 von 15 Schüssen hatte er bereits getroffen, als er vor dem letzten Schießen ins Stadion von Nove Mesto einfuhr. Dazu hatte er aber auch schmerzhafte Kilometer in den Beinen. "Das macht einen schon immer ein paar Jahre älter, so ein Rennen", sollte er später schmunzelnd sagen. 30.000 Augenpaare waren auf ihn gerichtet, vor dieser letzten Serie, in der es um Alles ging. Als sein 18. Schuss des Tages danebenging, wackelte die Medaille. "Deshalb habe ich mich im Ziel auch nicht direkt gefreut. Im Einzel kann hinten raus noch so viel passieren." Benedikt Doll schraubte im Einzel von Nove Mesto seine Quote am Schießstand von 78 auf 95 Prozent hoch. Nach dem Zieleinlauf begann dann das lange Warten.
Wobei, damit kennen sie sich ja aus bei den deutschen Biathlon-Männern. Für Benedikt Doll sind es an diesem Abend nur wenige Minuten, bis feststeht: Ja, es reicht zur Bronze-Medaille. Für die DSV-Herren endet indes eine Durstrecke von 1.092 Tagen. Als es vollbracht ist, fallen sie ihm alle um den Hals. Ob Teamkameraden und Kolleginnen wie Silbermedaillengewinnerin Janina Hettich-Walz oder Konkurrenten wie Titelverteidiger Johannes Thingnes Bö. Gut Ding will eben Weile haben.