Repression in Belarus: Lukaschenkos Scheinwahlen

Vor seiner Landesfahne, die bis auf Hammer, Sichel und Stern weitgehend dem Sowjetpendant entspricht, vor grauem Stein und einer Wahlurne beantwortete der Dauerherrscher Alexandr Lukaschenko die wichtigste Frage des „einheitlichen Abstimmtages“ in Belarus. Sie betraf bezeichnenderweise nicht die sogenannten Parlaments- und Kommunalwahlen vom Sonntag, sondern die nächsten Präsidentenwahlen, die im kommenden Jahr stattfinden sollen: Ob Lukaschenko abermals antreten werde, fragte ein Staatsnachrichtenmann, da eine „Kampagne der Opposition“ zu dieser Frage beginne.

Mehrfach versicherte der 69 Jahre alte Machthaber daraufhin, dass er antreten werde. Er beherrscht Belarus seit bald 30 Jahren. Man solle der Opposition, die aktiver werde, je schwieriger die Lage werde, ausrichten: „Kein Mann, kein verantwortungsvoller Präsident wird seine Leute im Stich lassen, die ihm in die Schlacht gefolgt sind.“ Und weiter sagte Lukaschenko: „Je mehr sie mich und die Gesellschaft anstacheln, desto schneller werde ich zu diesen Wahlen antreten. Machen Sie sich also keine Sorgen, wir werden tun, was für Belarus notwendig ist.“

Tichanowskaja rief zu Boykott

Erst einmal wurden in Belarus die 110 Mitglieder des Parlaments und 12.514 Abgeordnete in 1284 Gemeinderäten bestimmt. Formal in den Scheinwahlen vom Sonntag, tatsächlich waren sie aber vorab verlesen worden. Im Unterschied zu früheren Zeiten durfte kein einziger Oppositioneller mehr antreten. Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) waren nicht eingeladen worden. Trotzdem behauptete Lukaschenko nun, die OSZE-Beobachter hätten keinen Antrag gestellt, und pries seine sogenannten Wahlen. Sie seien herzlicher als jene zu sowjetischer Zeit.

Es waren die ersten in Belarus seit den gefälschten Präsidentenwahlen des Jahres 2020. Danach hatte Lukaschenko die Proteste gegen seinen Verbleib an der Macht brutal niederschlagen lassen und eine Welle der Repression in Gang gesetzt. Noch immer werden täglich Belarussen verhaftet. Seine exilierte Gegnerin von 2020, Swetlana Tichanowskaja, hatte vor diesem Hintergrund dazu aufgerufen, nicht an den „Ohnewahlen“ teilzunehmen. „Wir können aus unseren Fehlern lernen“, sagte Lukaschenko nun. 2020 hatten auch Mitglieder von Wahlkommissionen Fälschungen öffentlich gemacht. Jetzt waren diese Gremien „durchweg mit anonymen Loyalisten besetzt“, hob das in Litauen ansässige Belarus-Büro der deutschen Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in einer Analyse hervor.

Mindestens fünf Häftlinge seit 2022 gestorben

Diese lenkt den Blick auf die katastrophale Menschenrechtslage im Land. In der vergangenen Woche ist Ihar Lednik in der Gewalt des Regimes gestorben. Er war damit schon mindestens der fünfte Häftling seit 2022, den die ihrerseits verfolgten Menschenrechtsaktivisten von „Wjasna“ als politischen Gefangenen eingestuft haben, dem dies geschah. Der 64 Jahre alte Lednik war trotz eines bekannten Herzleidens im April 2022 inhaftiert worden. Er hatte in einem Artikel die frühere Neutralität von Belarus als Sicherheitsgarantie bezeichnet und gefordert, den „Unionsstaat“ mit Russland aufzulösen.

Dafür wurde er wegen „Beleidigung Lukaschenkos“ zu drei Jahren Haft verurteilt. Dort verschlechterte sich Ledniks Zustand immer mehr. Er wurde operiert, schließlich aus dem Straflager in ein Minsker Krankenhaus gebracht. Dort starb er, offiziell an Herzstillstand. Befürchtet wird, dass diese fünf Todesfälle, von denen vier im vergangenen Dreivierteljahr verzeichnet wurden, nur „die Spitze eines Eisbergs der Gewalt“ sind, so die KAS. Zu den 1412 politischen Gefangenen, die „Wjasna“ derzeit zählt, dürften noch Tausende weitere dazukommen. Der Kontakt mit den Menschenrechtsschützern ist gefährlich und manche Gefangene wollen nicht als „politisch“ eingestuft werden, um zusätzliche Nachstellungen zu vermeiden.

Nicht allein direkte Gewalt und harsche Haftbedingungen sind Probleme, sondern auch die mangelnde Versorgung mit Medikamenten und Essen. Sogar Helfer, welche die Angehörigen entsprechend unterstützen, werden als „extremistisch“ verfolgt. Von Lukaschenkos prominentesten Gefangenen fehlt seit Langem, teils seit mehr als einem Jahr, jede Spur. Das gilt unter anderem für Nikolaj Statkewitsch, Tichanowskajas Mann Sergej Tichanowskij, Marija Kolesnikowa und Viktor Babariko. Von den beiden Letztgenannten ist bekannt, dass sie schon zuvor in Krankenhäusern behandelt werden mussten. Die KAS befürchtet, dass der Tod des Oppositionellen Alexej Nawalnyj in russischer Haft Lukaschenkos Sicherheitskräfte noch weiter anreizen könnte, „das Gewaltniveau anzuheben“.

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