Hamas-Führer wird bei Luftangriff in Beirut getötet – Israel schweigt

Vergeltung aus dem Himmel: Hamas-Führer kommt bei Luftangriff in Beirut ums Leben. Nun droht eine Eskalation

Beirut - Figure 1
Foto Neue Zürcher Zeitung - NZZ

Saleh al-Aruri, der stellvertretende Vorsitzende der Terrortruppe, wurde am Dienstagnachmittag in Beirut bei einem mutmasslich israelischen Luftangriff getötet. Aruri gilt als Mitbegründer des militärischen Armes der Hamas.

In diesem Haus in Beirut sind bei einem Angriff am Dienstagnachmittag mehrere Hamas-Funktionäre ums Leben gekommen.

Bilal Hussein / AP

Am späten Dienstagnachmittag erschütterte der dumpfe Knall einer Explosion den Süden von Beirut. Zunächst war unklar, was der Auslöser war. Bald jedoch zeigte sich: Bei der Detonation handelte es sich offenbar um einen gezielten Anschlag. Inzwischen ist klar, dass der Angriff der palästinensischen Islamistenorganisation Hamas galt. Dabei wurde unter anderem Saleh al-Aruri getötet, ein hoher Funktionär der terroristischen Gruppe.

Neben Aruri wurden bei der Explosion laut libanesischen Medien noch weitere Hamas-Funktionäre getötet. Zudem wurden mehrere Personen verletzt. Die Männer hielten sich offenbar für ein Treffen in einer Wohnung in der von der libanesischen Schiitenmiliz Hizbullah kontrollierten Beiruter Vorstadt Dahiya auf.

Ein schwerer Schlag gegen die Hamas

Noch hat sich niemand zu dem Angriff bekannt. Sowohl Experten als auch der Hizbullah sind sich jedoch sicher, dass Israels Armee hinter der Operation steckt. Bereits am frühen Dienstagabend war von einem gezielten Beschuss durch eine Drohne die Rede. Fotos vom Ort des Geschehens zeigen ein beschädigtes Gebäude, ausgebrannte Autos und eine zerstörte Wohnung mit mehreren Leichen.

Am Abend vermeldeten auch israelische Medien den Angriff und sprachen von einer mutmasslichen Operation der israelischen Armee gegen die Hamas. Eine offizielle Bestätigung aus Jerusalem stand am Dienstagabend jedoch noch aus.

Beirut - Figure 2
Foto Neue Zürcher Zeitung - NZZ

Sollten sich die Informationen bestätigen, dann wäre Israel ein schwerer Schlag gegen die Hamas gelungen. Denn Aruri galt hinter Ismail Haniya als Nummer zwei im Politbüro der Terrororganisation. Der 57-Jährige wird aber vor allem dem militärischen Flügel der Truppe zugerechnet und von Israel für unzählige Anschläge verantwortlich gemacht – darunter die Ermordung mehrerer israelischer Zivilisten im Westjordanland und wiederholte Raketenangriffe aus Libanon.

So ist die Hamas organisiert
Aruri sass in Israel im Gefängnis

Aruri stammt aus der Nähe von Ramallah und gilt als Mitbegründer der Kassam-Brigaden, des militärischen Armes der Hamas. Er verbrachte mehrere Jahre in israelischen Gefängnissen und kam 2010 gemeinsam mit Yahya Sinwar – dem derzeitigen Hamas-Boss in Gaza – im Rahmen eines Gefangenenaustauschs frei.

Saleh al-Aruri war einer der höchstrangigen Hamas-Führer im Exil und wird dem bewaffneten Arm der Organisation zugerechnet.

Mohamed Hossam / EPA

Später ging Aruri ins Exil, erst nach Syrien, dann in die Türkei und schliesslich nach Libanon, wo in den letzten Jahren immer mehr Hamas-Kader Zuflucht fanden. Dort pflegte er enge Beziehungen zum Hizbullah-Chef Hassan Nasrallah und half mit, dass sich die beiden Organisationen nach zeitweiligen Differenzen wieder annäherten.

Aruri soll auch massgeblich dafür verantwortlich sein, dass es der Hamas in den letzten Jahren gelungen ist, in Libanon eine Basis aufzubauen. Seit dem Hamas-Terrorangriff auf Südisrael am 7. Oktober bekämpfen Einheiten der Kassam-Brigaden Israel auch von hier aus. Dabei sind sie jedoch auf das Wohlwollen und die Unterstützung des viel mächtigeren Hizbullah angewiesen.

Droht nun eine Eskalation?

Bisher hatte die mit Iran verbündete Schiitenmiliz allerdings versucht, den zur Unterstützung Gazas begonnenen Grenzkrieg mit Israel nicht eskalieren zu lassen. Weder Nasrallah noch seine Verbündeten in Teheran haben ein Interesse an einem offenen Krieg. Bei der Hamas stösst diese Zurückhaltung allerdings auf wenig Verständnis. Das hat jüngst für Spannungen innerhalb der antiisraelischen Allianz gesorgt.

Der Tod Aruris könnte nun zu einer Eskalation führen. Der Hizbullah-Chef Nasrallah hat bereits im August angekündigt, er werde die Ermordung von Hamas-Funktionären in Beirut nicht unbeantwortet lassen. Israel hat den Druck auf Libanon in letzter Zeit erhöht. So drohte es nicht nur damit, die Hamas-Chefs auch im Ausland zur Strecke zu bringen. Es verlangt auch, dass sich der Hizbullah aus dem Grenzgebiet zurückzieht. Sonst werde es dessen Kämpfer mit Gewalt vertreiben.

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