BayWa-Konzern: Agrarhändler gerät in Turbulenzen und muss ...
BayWa-Konzern Agrarhändler gerät in Turbulenzen und muss sanieren
Alarmstimmung im BayWa-Hochhaus: die Firmenzentrale der BayWa AG in der Münchner Arabellastraße.
© Stephan Goerlich / Picture Alliance
Das scheiternde Solargeschäft und eine hohe Zinslast trieben den Schuldenberg des Traditionsunternehmens in alarmierende Höhe. Jetzt folgt ein radikaler Schnitt
Die Warnsignale waren schon vor Monaten sichtbar. Erst eine Führungskrise rund um Aufsichtsratschef Klaus Josef Lutz, der den Agrarkonzern BayWa davor 15 Jahre geführt hatte. Dann der Rutsch in die roten Zahlen im zweiten Quartal. Der Grund: ein kriselndes Solargeschäft. Der Kurssturz Anfang der Woche auf ein historisches Tief in 15 Jahren bei 14,44 Euro folgte schließlich auf die Nachricht, der Münchner Konzern habe Sanierungsberater ins Haus geholt. Steht also die Überlebensfähigkeit des deutschen Traditionsunternehmens mit einem Jahresumsatz von rund 27 Mrd. Euro auf dem Spiel?
Klar ist: Die BayWa ist mit Milliardenschulden finanziell schwer angeschlagen. Konzernweit fiel in den ersten drei Monaten 2024 ein Verlust von 61,3 Mio. Euro an, die Dividende wurde komplett gestrichen. Im Vorjahreszeitraum hatte die BayWa noch einen Betriebsgewinn von knapp 92 Mio. Euro erwirtschaftet. Der Umsatz im ersten Quartal schrumpfte auf 5,2 Mrd. Euro nach 6,3 Mrd. Euro im Vorjahreszeitraum. In einer Ad-hoc-Mitteilung sprach BayWa selbst von einer „angespannten Finanzierungslage“.
Vor allem im Geschäftsfeld Energie, das auch den Handel mit Solarpanelen einschließt, purzelte das Ergebnis deutlich – auf ein operatives Minus von 66,8 Mio. Euro. Im Vorjahr stand dem noch ein Gewinn von 57,5 Mio. Euro gegenüber. Hauptverantwortlich hierfür war ein starker Volumenrückgang. Das verlustreiche Solargeschäft wurde für gescheitert erklärt, sollte noch verkauft werden, doch fand sich in dem von rapidem Preisverfall gezeichneten Markt kein Käufer.
Damit steht das Unternehmen mit rund 23.000 Beschäftigten vor einem harten Sanierungsprozess. Mit einem Gutachten hat Vorstandschef Marcus Pöllinger nach Brancheninformationen Berater von Roland Berger beauftragt. Darauf wird sich die künftige Finanzierung stützen. Ein Sprecher bestätigte Informationen, wonach ein so genannter Chief Restructuring Officer in die Konzernführung einziehen werde. „Wir planen das Team zu verstärken, um den angestoßenen Konsolidierungskurs konsequent und systematisch voranzutreiben“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Klaus Josef Lutz als Vorstandsvorsitzender der BayWa AG 2012 bei der Hauptversammlung.
© Stephan Goerlich / Picture Alliance
Hohe Schulden häufte die Baywa schon im Verlauf der vergangenen Jahre an. Unter Vorstandschef Lutz expandierte sie auf Kredit rund um den Globus – mit der Sparte erneuerbare Energien als zweitem Standbein. Die Eigenkapitalquote sank zu Ende 2023 auf unter 14 Prozent. Das Jubiläumsjahr zum 100. Geburtstag schloss mit einem Nettoverlust von 93 Mio. Euro. Wichtige Gläubiger sind laut RND unter anderem Deutsche Bank, Commerzbank, LBBW und die DZ Bank.
Doch lasten auf dem 1923 als „Bayerische Warenvermittlung landwirtschaftlicher Genossenschaften AG“ gegründeten Konzern Verbindlichkeiten von rund 6 Mrd. Euro. Der Vorstand geht „aufgrund konstruktiver Gespräche mit Finanzierungspartnern und der eingeleiteten Maßnahmen davon aus, dass die Finanzsituation nachhaltig gestärkt werden kann“, versicherte die Ad-hoc-Meldung am vergangenen Freitag.
Solargeschäft forciertZuletzt war Vorstandschef Pöllinger im Mai noch bei der Prognose geblieben, dass der Konzern im Gesamtjahr operativ einen Gewinn von 365 bis 385 Mio. Euro schreiben würde. Doch der signifikante Umsatzeinbruch im Bereich erneuerbare Energien auf 900 Mio. Euro (nach 1,5 Mrd. Euro ein Jahr zuvor) sandte erste Schockwellen. Die schwache Nachfrage und der extreme Preisverfall aufgrund von Überkapazitäten und -Angeboten bei Solarmodulen haben den Agrarhändler überfordert. Die Verantwortung wies er China zu: Die chinesische Konkurrenz drücke Module zu Dumpingpreisen in den Markt.
Bevor Lutz den SDax-Konzern Anfang 2023 an Nachfolger Pöllinger übergab und sich auf den Aufsichtsrat beschränkte, hatte er im Zuge seines ausgeprägten Wachstumskurses neben dem Agrar- und Baustoffhandel das Geschäft mit grüner Energien zum Schwerpunkt gemacht. Zum Jahreswechsel ließ er als Chefkontrolleur den Vorwurf eines mutmaßlichen Compliance-Verstoßes gegen Pöllinger in dem Aufsichtsgremium prüfen, erreichte aber im Gegenteil, dass diesem „das uneingeschränkte Vertrauen ausgesprochen“ wurde – und trat ab. Mehr wurde über den mutmaßlichen Verstoß nicht bekannt. Pöllinger gehört seit 2018 dem Vorstand an.
Bangende BauernLutz ist heute Präsident des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags, doch steht er klar für die 2009 neu ausgerufene Ära einer „konsequenten internationalen Ausrichtung“ des Unternehmens. Den Startpunkt für das Geschäft mit Wind und Solar setzte die Übernahme dreier profitabler Unternehmen, die heute als Baywa r.e. AG firmieren. Sie baut Solarkraftwerke und Windparks, handelt mit Energie und erkundet auch Chancen von grünem Wasserstoff.
Die Krise im Konzern könnte sich indes auch auch negativ auf Deutschlands Landwirte auswirken, schließlich ist die Baywa hierzulande der größte Agrarhändler, der die heimische Ernte weltweit vermarktet. Hauptaktionäre der BayWa sind Raiffeisen-Gesellschaften. In einem Ranking von 2015 führte sie die Liste der zehn umsatzstärksten Unternehmen im Agribusiness in der Europäischen Union an – und gehört heute weltweit zu den Top Ten der Agrarhändler.
Mit dem Erwerb des Getreidehändler Cefetra aus den Niederlanden und einer Mehrheitsbeteiligung an der norddeutschen Bohnhorst Agrarhandel stiegen die Münchner 2012 ins globale Agrarhandelsgeschäft ein. Der Konzern positioniert sich als Grundversorger in den Geschäftsfeldern Agrar, Bau und Energie und als Service-Partner von Landwirten in Pflanzenschutz und Landtechnik. Die größte Transaktion, die CEO Lutz 2012 auf der Hauptversammlung feierte, war die Übernahme des großen neuseeländischen Apfelanbauers Turners & Growers ein, der Plantagen weltweit betreibt.
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