Baywa in Insolvenzgefahr - Pressestimmen und Hintergründe zur ...

16 Jul 2024
Baywa

Der Agrarhändler Baywa AG steckt in der Krise. Seit der Beauftragung eines Sanierungsgutachtens sinkt der Aktienkurs. Landwirte sind als Kunden und Anleger betroffen. Die Reaktionen und Hintergründe:

Die Baywa AG hatte am Freitagabend nach Börsenschluss in einer Ad hoc-Mitteilung veröffentlicht, dass sie ein Sanierungsgutachten in Auftrag gegeben hat. Daraufhin war die Aktie der Baywa am Montagmorgen zeitweise um fast 35 % gefallen. Am Dienstag gab die Aktie dann nocheinmal nach und ist am Morgen auf den tiefsten Stand seit 2009 gefallen.

Das Sanierungsgutachten soll die „angespannte Finanzierungslage“ verbessern, hatte das Münchner Agrarhandels- und Energieunternehmen mit rund 24.000 Mitarbeitern mitgeteilt.

Die Kommentatoren in den Zeitungen und Börsenportalen sehen eine Mitschuld in der Führungsspitze. Die schwierige Finanzlage hatte sich bereits vorher abgezeichnet. Eine Auswahl an Stimmen:

FAZ: Rukwied im Baywa Aufsichtsrat soll handeln

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) kommentiert die Krise unter der Überaschrift „Kartenhaus Baywa“. Es sei erst 15 Monate her, dass sich der Vorstandsvorsitzende Klaus Lutz mit einer „goldgeränderten Bilanz“ von der Baywa AG verabschiedet habe. Lutz habe, die einst auf den heimischen Landhandel beschränkte „Grüne AG“, zu einem internationalen Konzern mit 27 Mrd. € Umsatz „aufgepumpt“ und die Expansion mit Krediten finanziert, heißt es in der FAZ weiter. Sein Nachfolger und langjähriger Weggefährten Marcus Pöllinger habe ihn dabei „nach Kräften“ unterstützt. „In Zeiten steigender Zinsen sieht das 1923 gegründete Unternehmen aus wie ein Kartenhaus im Sturm“, schreibt die FAZ. Der Aufsichtsrat, dem Bauernpräsident Joachim Rukwied ebenso angehört wie die CSU-Europaabgeordnete Monika Hohlmeier, habe „dem Treiben tatenlos zugesehen“. Er sollte jetzt handeln, urteilt die FAZ. Ein Neuanfang an der Vorstandsspitze erscheine unausweichlich.

DSW: Landwirte als Kunden und Anleger betroffen

Die Vizepräsidentin der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), die Münchner Anwältin Daniela Bergdolt, bangt vor allem um die Anleger aus der Landwirtschaft. „Die BayWa ist ein besonderes Unternehmen: Viele Landwirte sind dort gleichzeitig Kunden und Aktionäre. Nicht selten ist die BayWa-Aktie ein wichtiger Teil der Altersvorsorge“, sagte sie in einer Pressemitteilung.

Die Schutzvereinigung hat deswegen einen Info-Service für alle Aktionäre und Anleihegläubiger eingerichtet. Sie können sich bei der Kanzlei Bergdolt als bayerische Landesgeschäftsstelle der DSW kostenlos registrieren und werden über aktuelle Entwicklungen und Maßnahmen informiert. Schreiben Sie hierzu eine E-Mail an [email protected] oder rufen an unter 089/38665430.

Handelsblatt: Lutz ist verantwortlich

Das Handelsblatt hat sich mit den Ursachen der Misere beschäftigt: 2023 hatte die BayWa den ersten Verlust in der Konzerngeschichte bekanntgeben müssen. Wegen des Zinsanstiegs sind vor allem die hohen Schulden ein Problem. Zudem misslang der geplante Verkauf des verlustreichen Solarhandelsgeschäfts.

„Diese Schulden gehen zum Großteil auf die Amtszeit des früheren Vorstandsvorsitzenden Klaus Josef Lutz zurück, der das auf den Agrarhandel beschränkte Unternehmen bis Frühjahr 2023 leitete und in einen Mischkonzern verwandelte. Der Manager expandierte auf Kredit quasi rund um den Globus und baute vor allem das Geschäft mit erneuerbaren Energien als zweites Standbein des Konzerns auf.

Doch auch im Agrarhandel kaufte die Baywa in Lutz' Amtszeit zu: So wurde das Unternehmen Mehrheitseignerin des großen neuseeländischen Apfelanbauers Turners and Growers, der seine Plantagen weltweit betreibt.

Im Machtkampf mit Lutz, bei dem es auch um den Verdacht möglicher Compliance-Verstöße ging, setzte sich der aktuelle Vorstandschef Marcus Pöllinger durch, weil die Eigentümer aus dem Genossenschaftssektor auf ihn vertrauen. Doch stellte man im Umfeld des Aufsichtsrats auch klar, dass man in diesem Jahr Sanierungsfortschritte von Pöllinger erwarte“, schreibt das Handelsblatt.

SZ: Das sind die größten Gläubiger

Die Süddeutsche Zeitung hat sich die Gläubiger der Baywa angesehen. Als größte Eigner gelten die genossenschaftliche DZ Bank, die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) und die Unicredit, die einen 2 Mrd. € schweren Konsortialkredit geschnürt hatten, der im September 2025 fällig ist.

Ob er mit Kreditbedingungen (Covenants) versehen ist, die die Banken bei Nichterfüllung zur vorzeitigen Kündigung berechtigt, ist nicht bekannt. Im April hatte die Baywa die Begebung einer 250 Mio. € schweren Anleihe mangels Nachfrage abgeblasen, obwohl sie 6,75 % Zinsen geboten hatte.

Münchner Merkur: Mehrere Krisen gleichzeitig

Gründe für die schwachen Geschäfte seien nach Angaben des Konzerns vor allem der Preisverfall im Solarmodulgeschäft, schreibt der Münchner Merkur. Die Preise hätten sich im Jahr 2023 halbiert. Überkapazitäten der Solarzellenproduktion in China führten zu weltweiten Überfluss mit anschließendem Preissturz.

Weiterhin machten der Landwirtschaft extreme Wetterbedingungen zu schaffen, zitiert der Merkur aus früheren BayWa-Informationen weiter. So hätten Ernteeinbußen und offen gebliebene Versicherungszahlungen speziell in Neuseeland infolge des Zyklons „Gabrielle“ das Ergebnis gedrückt. Die Wetterbedingungen haben demnach auch im Getreidehandel für Einbußen gesorgt. Darüber hinaus habe der Preisrückgang bei Düngermittel das Agrargeschäft 2023 belastet. Fallende Getreidepreise infolge billiger Ukraine-Importe führten dazu, dass weniger Düngermittel nachgefragt wird. 

Dazu kam wohl der eingebrochene Wohnungsbau in Deutschland nach dem gestiegenen Zinsniveau. Die sinkende Zahl der Baugenehmigungen seit 24 Monaten in Folge zeigt sich im Nachfragerückgang bei Baustoffen deutlich. Die größte Krise im Bauwesen seit 50 Jahren sei nach Aussagen von Steffen Mechter, Generalbevollmächtigter und Leiter Bau der Münchner BayWa AG, nur durch eine Transformation überwindbar, so die Zeitung.

Finanzen.net: Analysten setzen Bewertung aus

Am Montag hatten die Anleger die Papiere um bis zu 35 % in den Keller gejagt. Zum Handelsende verblieben rund minus 28 %, schreibt finanzen.net. Mittlerweile verliere das Papier via XETRA 7,39 % auf 15,04 €. Die Analysten von Warburg Research und der Privatbank Metzler hätten ihre Bewertung jetzt ausgesetzt.

Dass der Konzern einen Sanierungsgutachter an Bord geholt hat, dürfte sich auch im Tagesgeschäft bemerkbar machen, so Warburg-Experte Oliver Schwarz gegenüber finanzen.net. So könnte beispielsweise der Verkaufsprozess von Solar Trade zu einem abrupten Ende kommen. Zudem könnten Zulieferer auf Vorauskasse bestehen und nicht zuletzt die Refinanzierung teurer werden.

Metzler-Experte Guido Hoymann sieht die Aktien jetzt ganz im Griff von Restrukturierungsnachrichten anstelle des operativen Geschäfts, heißt es.

Börsenzeitung: Gläubigerbanken sind am Zug

Die Börsenzeitung sieht die „Baywa in der Existenzkrise“. Mit dem in Auftrag gegebenen Sanierungsgutachten habe der hochverschuldete Agrarhandelskonzern Baywa das Heft des Handelns aus der Hand gegeben, kommentiert die Börsenzeitung weiter. Nun seien die Gläubigerbanken am Zug. Das vom hochverschuldeten Agrarhandelskonzern in Auftrag gegebene Sanierungsgutachten gleiche einem Eingeständnis, dass der Vorstand bei der Restrukturierung des Unternehmens mit seinem Latein am Ende ist. Unter den Kreditinstituten sei die Sorge groß, dass das Münchner SDax-Mitglied bald nicht mehr in der Lage ist, seine Verbindlichkeiten fristgerecht zu begleichen, urteilt die Börsenzeitung.

Stock3: Baywa ist „too big to fail“

Unangenehme Folgen für Aktionäre und Gläubiger erwartet die Redaktion stock3. Ein Kapitalschnitt, inklusive Kapitalerhöhung oder eine Restrukturierung der Passivseite, könnten drohen. Klar sei aber auch: Baywa ist „too big to fail“, urteilt der Kommentator bei stock3. Weitergehen werde es auf jeden Fall, nur auf welche Art und Weise, da blieben kurzfristig große Fragezeichen.

Bis Ende 2023 soll die Baywa 5,5 Mrd. € Schulden angehäuft haben. Mit steigenden Zinsen wurde das zum Problem. Die Aktie stürzte nach der Mitteilung am Montag um ein Drittel auf 13,80 bis 14,90 € ab. Größter Aktionär ist die Bayerische Raiffeisen-Beteiligungs-AG mit 33,8 %, hinter der die Volks- und Raiffeisenbanken des Landes stehen. Wer der Gutachter ist, und bis wann das Sanierungsgutachten vorliegen soll, teilte das Unternehmen zunächst nicht mit. Finanzkreisen zufolge soll es sich aber um die Unternehmensberatung Roland Berger handeln.

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