Bayer: Darum braucht der Konzern diesen Neustart!

18 Jan 2024
Bayer
Traditionskonzern Bayer braucht diesen Neustart!

Konzernchef Bill Anderson will Bayer radikal verändern. Schneller, innovativer, unbürokratischer soll der Konzern werden. Das dürfte tausende Jobs kosten. Und ist trotzdem richtig. Ein Kommentar.    

Als hätte Bayer nicht schon Probleme genug: Die Geschäfte laufen mäßig, die Schulden sind hoch, ein großer Pharma-Hoffnungsträger ist gerade abgestürzt und bei den milliardenteuren Glyphosat-Prozessen in den USA ist noch kein Ende abzusehen.

Just in dieser Situation mutet Bayer-Chef Bill Anderson dem Leverkusener Traditionskonzern eine Neuorganisation zu, die es in sich hat. Bayer soll schneller und unbürokratischer werden; die Mitarbeiter werden künftig viel mehr selbst entscheiden, viele Hierarchieebenen fallen weg. Andersons neues Betriebsmodell wird wohl tausende Manager ihre Jobs kosten. Ab Ende 2026 sind nun sogar, wie Mittwoch bekannt wurde, betriebsbedingte Kündigungen möglich.

Die gewaltigen Veränderungen – im Bayer-Jargon „Dynamic Shared Ownership“ – werden viel Unruhe ins Unternehmen bringen und womöglich das Tagesgeschäft lähmen. Keines der gravierendsten Bayer-Probleme wird durch die neuen Organisationsprinzipien gelöst – die Glyphosat-Prozessrisiken und die Defizite in der Pharma-Pipeline bestehen auch in der neuen Welt weiter.  

Bayer ist besonders bürokratisch

Und dennoch ist die Entscheidung, die Bayer-Mentalität von Grund auf zu verändern, richtig. Natürlich neigen große Konzerne zum Bürokratismus – Bayer liegt dabei allerdings besonders weit vorn. Unterhalb des Vorstandes gibt es zwölf Hierarchieebenen. Das Bayer-Regelbuch „Management Regulations online“, das interne Arbeitsprozesse beschreibt, umfasst ganze 1362 Seiten. Der inzwischen pensionierte Pharmaforscher Klaus Grohe, der einst mit Ciprobay eines der wichtigsten Bayer-Arzneimittel erfand, klagte kürzlich darüber, dass bei Bayer zu wenig Erfindergeist herrscht.

Bayer muss schneller und innovativer werden, deshalb gibt es zu Anderson Reform keine Alternative. Die Frage ist jedoch, ob er von den Investoren dafür genug Zeit bekommt. Sie haben mit der Bayer-Aktie zuletzt viel Geld verloren – und fordern nun, dass der Konzern Teile seines Portfolios (Agrar, Pharma, rezeptfreie Medikamente) abspaltet. Viele Aktionäre sind dabei in erster Linie an einem schnell steigenden Aktienkurs und weniger an neuen Organisationsprinzipien interessiert, die eher mittelfristig wirken. Konzernchef Anderson selbst hält sich diese Optionen bislang bewusst offen.

Auf einem Kapitalmarkttag Anfang März will er erklären, wie die Zukunft von Bayer aussieht. Klar ist: Sein Gesamtpaket muss sitzen und sowohl Aktionäre als auch Mitarbeiter überzeugen. Der Bayer-Chef ist um seine Aufgabe nicht zu beneiden. Seine Entscheidung, Bayer neu zu organisieren, ist mutig - und richtig.

Lesen Sie auch: Was bei Bayer 2024 noch passiert

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