Dax-Konzern: Anleger flüchten aus der Bayer-Aktie

Bayer-Aktie

Nach schwächeren Quartalszahlen als erwartet und einem verhaltenen Ausblick haben die Aktionäre von Bayer sehr viele Anteile verkauft – der Kurs des Pharma- und Agrarchemiekonzerns ist auf ein Zwanzigjahrestief gefallen. Um mehr als 13 Prozent auf 21,04 Euro ging es für die Bayer-Aktie am Dienstagmorgen bergab, auch im Tagesverlauf lag sie weiterhin mehr als zehn Prozent im Minus und war damit der schwächste Wert im Dax. Bayer-Aktionäre sind leidgeprüft, in diesem Jahr sank der Kurs bisher um mehr als ein Drittel, seit fünf Jahren haben die Papiere fast 70 Prozent an Wert verloren. An der Börse ist Bayer derzeit 21,5 Milliarden Euro wert – mehr als 60 Milliarden Euro hat der Konzern für den Kauf des amerikanischen Saatgutkonzerns Monsanto ausgegeben.

„Das ist eine frustrierende Situation für Investoren“, sagte der Bayer-Vorstandsvorsitzende Bill Anderson in einer Telefonkonferenz zur Vorlage der Neunmonatszahlen am Dienstag. Allerdings habe das Unternehmen im März auf seinem Kapitalmarkttag skizziert, dass es für seine vier Kernprobleme, die es zu lösen gelte, zwei bis drei Jahre brauchen dürfte. Neben dem Schuldenabbau ist das der große Personalumbau im Konzern, der unter dem Namen „Dynamic Shared Ownership“, kurz DSO, firmiert. Außerdem will Anderson die milliardenhohen Rechtsrisiken rund um Glyphosat in Amerika in den Griff kriegen und die Pharma-Pipeline mit neuen Produkten stärken, weil wichtige Patente für die zuverlässigen Umsatzbringer Xarelto und Eylea auslaufen. „Wir sind nicht fertig, aber ich bin froh, dass wir Fortschritte machen“, sagte Anderson dazu.

Zusätzlich zu den langfristigen Herausforderungen berichtet Bayer nun aber auch über kurzfristige Schwierigkeiten. Gerade das Agrargeschäft schwächelt, insbesondere in Lateinamerika entwickelt es sich schlechter als erwartet. In Argentinien und Brasilien gingen die Anbauflächen für Mais zurück, durch „Wetterkapriolen und Krankheitsbefall“, wie es von Bayer hieß. Im Geschäft mit Pflanzenschutzmitteln leidet Bayer zudem unter erhöhtem Preisdruck, allerdings lief das Geschäft mit glyphosatbasierten Herbiziden in den vergangenen Jahren auch gut. Um ein Fünftel ist das Glyphosatgeschäft im dritten Quartal abgerutscht. Bayer versorgt etwa 40 Prozent des globalen Glyphosatmarktes, ist also ein bedeutender Spieler.

Abermals Ergebnisrückgang erwartet

Aufgrund des belastenden Agrargeschäfts hat Bayer zum zweiten Mal in diesem Jahr seine Ergebnisprognose senken müssen, auch für 2025 erwarten die Leverkusener keine Besserung. „Insgesamt haben wir für kommendes Jahr eher gedämpfte Erwartungen in Bezug auf Umsatz und Ergebnis, und Letzteres wird voraussichtlich zurückgehen“, sagte Finanzchef Wolfgang Nickl. Das wäre dann das dritte Jahr in Folge mit einem sinkenden Ergebnis. Neben Preisdruck etwa durch Nachahmerprodukte auch im Agrar­sektor erwartet Bayer, dass eine wichtige Zulassung für den Unkrautvernichter Dicamba wohl nicht mehr rechtzeitig zur Saison 2025 kommt. Außerdem verliert Bayer im europäischen Markt infolge des „Green Deals“ die Möglichkeit, sein Insektizid Movento zu verkaufen.

Das alles führt dazu, dass Bayer sein ­Agrargeschäft um 3,77 Milliarden Euro abgewertet hat. Insgesamt hat der Konzern einen Verlust von 4,18 Milliarden Euro geschrieben, nach 4,57 Milliarden im Vorjahreszeitraum. Belastend hinzu kommt, dass die Zahl der angemeldeten Klagen wegen der angeblich krebserregenden Wirkung von Glyphosat zuletzt um rund 5000 auf insgesamt etwa 177.000 gestiegen ist. 63.000 dieser Ansprüche sind noch offen. Bayer arbeite „rund um die Uhr daran“, die Unsicherheit durch Rechtsstreitigkeiten einzudämmen, sagte Anderson. Unter anderem hofft Bayer auf eine Prüfung durch das Oberste Gericht in Amerika, den Supreme Court. Auch außerhalb der Gerichtssäle versucht Bayer, etwa durch verstärktes Lobbying, seine Position zu verbessern.

Ein Lichtblick in den Zahlen war das Pharmageschäft, das sich trotz eines deutlichen Umsatzrückgangs des bislang wichtigsten Medikaments Xarelto stabil entwickelte. Dafür laufen nach und nach Patente aus, wodurch Nachahmerprodukte auf den Markt kommen. In den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres machte Xarelto noch ein Fünftel der gesamten Umsätze der Pharmasparte aus. Für das kommende Jahr erwartet Bayer einen weiter sinkenden Anteil des Gerinnungshemmers, glaubt aber daran, das mit neuen Produkten ausgleichen zu können und damit den Gesamtumsatz stabil zu halten. Im dritten Quartal war der Umsatz mit Xarelto um 5,3 Prozent gesunken, neue Medikamente trugen aber 5,6 Prozent Wachstum bei. Insgesamt lag der Umsatz der Pharmasparte im dritten Quartal stabil bei 4,5 Milliarden Euro.

Hohe Abfindungen durch Konzernumbau

Voran kommt Bayer auch im Schuldenabbau, so sanken die Nettofinanzverbindlichkeiten in den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres 2024 um 9,5 Prozent auf rund 35 Milliarden Euro. Um 11 Prozent auf 9,2 Milliarden Euro erhöht hat sich unterdessen der Personalaufwand im selben Zeitraum, was vor allem an Abfindungen im Rahmen des Unternehmensumbaus DSO gelegen hat. 5500 Stellen hat Bayer in diesem Jahr gestrichen, hauptsächlich im Management.

Für 2024 erwartet Bayer nun ein bereinigtes operatives Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) von 10,0 bis 10,3 Milliarden Euro statt von 10,2 bis 10,8 Milliarden. Schon 2023 war das Ergebnis um gut 13 Prozent auf 11,7 Milliarden gesunken. Der Umsatz soll zwischen 45,5 und 47,5 Milliarden Euro liegen statt zuvor zwischen 46 und 48 Milliarden Euro. Bereinigt um Währungseffekte, bleibt die Erwartung gleich: zwischen einem Minus von einem Prozent und einem Plus von drei Prozent.

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