Der Liveblog zum SZ Wirtschaftsgipfel 2024:
Wann ihm klar gewesen sei, dass es aus ist mit der Ampel-Regierung, will SZ-Chefredakteurin Judith Wittwer im Gespräch mit Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) beim SZ Wirtschaftsgipfel wissen. "Da ich ja nicht zum Inner Circle gehöre, erst mit der Rede des Bundeskanzlers", antwortet Pistorius. Das sorgt für einige Lacher im Publikum.
Pistorius nicht Teil des inneren Zirkels der Bundesregierung? „Das glaube ich Ihnen kaum“, sagt SZ-Chefredakteurin Wittwer. Die Rede von Olaf Scholz, mit der er Christian Lindner vergangene Woche aus der Regierung geworfen hat, sei offenbar gut vorbereitet gewesen. Pistorius darauf: „Ja.“ Das sei aber nicht ungewöhnlich, es sei Sache des Koalitionsausschusses und der Fraktionsspitzen von SPD, Grünen und FDP gewesen.
„Dass sich in dieser Koalition nicht mehr viel bewegen würde, das habe ich allerdings schon ein bisschen früher gesehen ...“
Boris PistoriusOb Pistorius nicht der bessere Bundeskanzlerkandidat der SPD wäre, fragt anschließend Nicolas Richter, der Chef des SZ-Parlamentsbüros. Und Pistorius antwortet: "Wir haben einen Bundeskanzler und der ist der designierte Kanzlerkandidat. Ich sehe niemanden, der daran etwas ändern möchte."
Aber Pistorius würde eigenen Angaben zufolge "gerne weiterhin mit den Kollegen zusammenarbeiten". Das kann man auch so verstehen: Der amtierende Verteidigungsminister will vielleicht kein Kanzler werden. Aber Verteidigungsminister würde er wohl schon gerne bleiben. Schließlich habe er das Amt erst ein Jahr nach Beginn der Legislaturperiode übernommen und noch nicht alle Aufgaben erledigt, die er sich vorgenommen habe, erklärt Pistorius.
Die Dressurreiterin Jessica von Bredow-Werndl hat bei den Olympischen Spielen in Paris in diesem Jahr zwei Goldmedaillen gewonnen. Von den 20 000 Euro Preisgeld je Goldmedaille hat sie allerdings nichts gesehen. Sie wurden vom Verband einbehalten, erzählt die Sportlerin auf der Bühne des SZ Wirtschaftsgipfels. "Das Geld bekommen nur Athletinnen, die von der Stiftung deutsche Sporthilfe unterstützt werden. Und das sind wir Reiter nicht, zumindest bin ich es nicht", so Bredow-Werndl.
Die Dressur steht immer wieder in der Kritik von Tierschützern. Auf die Frage von SZ-Wirtschaftschefin Lisa Nienhaus, ob sich Misshandlung von Tieren beim Training überhaupt verhindern lasse, sagt Bredow-Werndl: "Indem Trainingskontrollen auch zu Hause stattfinden. Indem Reiter gesperrt werden, die ihre Pferde schlecht behandeln." Es rege sie auf, dass sich die Presse auf einige, wenige Fälle stürze und dann den ganzen Sport in Misskredit bringe. "Ich bin durch und durch Pferdemädchen, das ist einfach so. Aber da spreche ich nicht für mich, sondern für 99 Prozent meiner Kolleginnen und Kollegen. Und das sollte auch medial mehr in den Vordergrund gerückt werden."
Das Gespräch mit Bredow-Werndl fand beim Wirtschaftsgipfel als Live-Talk des SZ-Formats "Reden wir über Geld" statt. Alle weiteren Folgen der Reihe finden Sie hier.
Es wäre ein Erfolg, von dem die Menschen schon lange träumen: dass niemand mehr an Krebs sterben muss. Genau darum geht es in einer Wirtschaftsgipfel-Debatte am Nachmittag. Fridtjof Traulsen, Deutschland-Chef des Pharma-Herstellers Boehringer Ingelheim, sagt: Es gebe so viele verschiedene Ansätze in der Forschung, wie man Krebserkrankungen verhindern oder bekämpfen kann. Darunter Therapien oder Impfungen, die auch regelmäßig zu großen Durchbrüchen führen. Deshalb glaubt er: "Wir können die Generation sein, die den Krebs besiegt."
Die deutsche Wirtschaft gibt sich gelassen angesichts des baldigen Wiedereinzugs von Donald Trump ins Weiße Haus. Politik sei schon wichtig, aber eben auch nicht das einzig Wichtige, sagt RWE-Chef Markus Krebber. „Wirtschaft geht länger als eine Wahlperiode“, sagt Multiaufsichtsrätin Simone Menne. Ob man der deutschen Wirtschaft ihre Ruhe wirklich abkaufen kann, analysiert mein Kollege Claus Hulverscheidt (SZ Plus).
Wie läuft es denn in Deutschland, so rein arbeitsmäßig? BDI-Chef Siegfried Russwurm gehört da nicht zu den Optimisten: „Wir machen uns etwas vor“, sagt er. „Wir diskutieren nicht konsequent genug.“ Er kenne Menschen, die mehr leisten wollen, aber „nicht dürfen“. Und fügt hinzu: „Selbst bei 42 Stunden fällt doch nicht jeder tot von der Stange."
Wie gut ist der Standort Deutschland? Darüber diskutieren Vertreter der Industrie beim SZ Wirtschaftsgipfel. In Deutschland gebe es die Tendenz, "in den Rückspiegel" anstatt nach vorne zu schauen und zu überlegen, in welche Zukunftstechnologien man investieren wolle. Das sagt Siegfried Russwurm, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI). "Es hat keinen Zweck, verlorene Kriege weiterzukämpfen."
Wann ihm klar geworden sei, wann das mit der Ampel keinen Sinn mehr habe, fragt SZ-Chefredakteurin Judith Wittwer. Dazu sagt Russwurm: „Man hatte den Eindruck, dass da nicht drei, sondern fünf Parteien gemeinsam regieren, weil zwei davon innerlich sehr uneins waren. Wenn fünf Parteien rote Linien auf den Tisch legen, ist der Gestaltungsspielraum sehr klein.“
Verteidigungsminister Pistorius fordert in seiner Rede beim SZ Wirtschaftsgipfel: "Wir müssen für die Zukunft Vorkehrungen treffen, um weiterhin in Freiheit und Sicherheit leben zu können. Nicht nur für uns – das ist vielleicht noch relativ einfach – sondern auch für nachkommende Generationen."
Dann geht er auf den Regierungsbruch ein. Das Gesetz über den neuen Wehrdienst werde die Regierung wohl nicht mehr umsetzen können, sagt Pistorius. "Wir setzen auf die freiwillige Bereitschaft der jungen Generation, einen solidarischen Beitrag für unser Land zu leisten und wir arbeiten daran, dass dieser Dienst attraktiv für junge Menschen ist, sie begeistert und ihnen neue Perspektiven ermöglicht."
In Hinblick auf die Verteidigungsausgaben hatte Außenministerin Baerbock am Vormittag auf der Bühne gesagt, dass das Zwei-Prozent-Ziel der Nato in der heutigen Lage nicht mehr ausreichen werde. Was sagt Verteidigungsminister Pistorius dazu? "Der hat das schon vor einem halben Jahr gesagt", so der SPD-Politiker im Gespräch nach seiner Rede. "Die Zwei Prozent werden nicht reichen."
Moritz Schularick, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), erwartet nicht, dass die EU in einem Handelskonflikt mit Trump ihre Interessen wirksam verteidigen kann. „Ich bin nicht zuversichtlich, dass wir wirklich erfolgreich sind“, sagt er. Denn Europa sei in der Sicherheitspolitik weiterhin auf die USA angewiesen, weil zu wenig in Verteidigung investiert werde. Und Trump setze auf die „Sprache der Erpressung“, er werde bei Diskussionen über Handelspolitik und Zölle mit der EU „sicherheitspolitische Fragen aufs Tablett bringen“, etwa die Unterstützung für die Ukraine. Und dann werde Brüssel einlenken müssen.
Moritz Schularick, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), erwartet durch Trumps Politik eine Erhöhung der Inflation. Deshalb könnte die US-Notenbank Fed schon im Sommer wieder die Zinsen erhöhen – „wenn die Fed noch die Fed ist“. Damit spielt Schularick auf Ideen aus Trumps Lager an, die Unabhängigkeit der Fed zu untergraben.
Der Essener Dax-Konzern RWE ist einer der größten Ökostrom-Produzenten in den USA. Die Wahl des Klimawandel-Skeptikers Donald Trump zum US-Präsidenten werde den Ausbau erneuerbarer Energien in den USA aber nicht stoppen, sagt Vorstandschef Markus Krebber. Doch: „Die Unsicherheit ist jetzt höher.“ In Trumps erster Amtszeit sei der Ausbau gut vorangekommen.
Krebber diskutiert auf dem Panel "Die Welt im Umbruch und was bedeutet das für die Wirtschaft?". Mit ihm auf dem Podium sitzen Angela Titzrath, die Chefin des Hamburger Hafens, Simone Menne, Präsidentin der American Chamber of Commerce in Germany, sowie Moritz Schularick, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft.
"Es ist wichtig, dass wir mehr Geld in die Hand nehmen", sagt Außenministerin Baerbock auf der Bühne. "Und dass wir unsere Fähigkeiten bündeln." Die europäischen Armeen müssten stärker kooperieren. Manche osteuropäische Staaten gäben schon drei Prozent für Verteidigung aus.
Bei Wahlen in Deutschland entstehe derzeit der Eindruck, dass alles nicht mehr so schlimm sei. Das stimme aber nicht und sei für die Ukraine fatal, die vor einem weiteren Kriegswinter steht. Auch ihr achter Besuch in der Ukraine vor Kurzem habe das gezeigt, sagt Baerbock. "Die Solidarität ist essenziell und in diesen Tagen wichtiger als je zuvor."
"Man kann es sich ökonomisch überhaupt nicht leisten, zu sagen, wir drehen das jetzt alles wieder zurück", sagt Annalena Baerbock mit Blick auf die grüne Transformation und die heute beginnende Klimakonferenz in Aserbaidschan. Selbst in den USA, wo nun ein Mensch ins Weiße Haus einzieht, der von Klimapolitik nichts hält, habe die Klima-Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahre bereits "Fakten geschaffen". Bei ihrem Besuch in Texas habe ihr der dortige Gouverneur, ein Trump-Anhänger, erzählt, wie wichtig der grüne Wandel für die dortige Wirtschaft sei. Dazu gehöre etwa grüner Wasserstoff und erneuerbare Stromproduktion. Auch vor einem Austritt der USA aus dem Pariser Klimaabkommen müsse man sich wenig fürchten. "Manche Dinge können nicht mehr einseitig rückgängig gemacht werden."
"Wir müssen anerkennen, dass das Zwei-Prozent-Ziel der Nato in unserer heutigen Lage nicht mehr ausreichen wird", sagt Außenministerin Annalena Baerbock in ihrer Eröffnungsrede beim SZ Wirtschaftsgipfel. Deutschland und Europa müssten bei den Verteidigungsausgaben zulegen, um Werte wie Demokratie, Frieden und Freiheit zu verteidigen. Doch es gehe dabei um mehr als finanzielle Mittel. Die Verteidigungsfähigkeiten müssten auch in materieller Hinsicht in Zusammenarbeit mit anderen Partnern gestärkt werden. "Wir müssen Investitionen in die europäische Sicherheit groß denken und groß machen", so Baerbock. Das sei auch eine Brücke zu transatlantischen Partnern.
"Wandel braucht nicht nur Mut, sondern auch Kraft und Weitblick", sagt Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) beim 18. SZ Wirtschaftsgipfel in Berlin. Ihre Regierung habe sich große Veränderungen explizit vorgenommen. Und obwohl viele der Pläne nicht aufgingen und auch die Regierung selbst nun gescheitert ist, sei es trotzdem richtig und wichtig, dass Deutschland sich verändern muss. Und zwar schnell. "Das Glas ist halb voll", das sei ihr Lebensmotto, sagte Baerbock.
Das Motto des Gipfels in diesem Jahr lautet: Die Welt im Umbruch – was tun? Es könnte treffender kaum sein. Donald Trump zieht wieder ins Weiße Haus ein. Und in Deutschland wird bald neu gewählt. Die Ampel-Regierung habe ein Deutschland vorgefunden, das sich zu lange nicht verändert habe, sagt Baerbock. "Weil der Mut fehlte." Die fehlenden Investitionen in Digitalisierung, Energiewende und Infrastruktur hätten sich dann gezeigt, als die Ampel-Regierung antrat. "Ich habe auch persönlich dafür geworben, dass wir diese Verantwortung übernehmen."
Man muss nur in die USA schauen, um zu sehen: Der starke Mann, der die Wirtschaft gegen ihre Feinde von außen verteidigt, ist en vogue – Vorbild Donald Trump. Meine Kollegin Lisa Nienhaus fordert: bitte umdenken!
Erfolgreiche Wirtschaftspolitik funktioniert ihrer Meinung nach anders. Gegen Stärke sei per se zwar nichts einzuwenden. Das Problem sei aber, dass Stärke nicht immer mit Klugheit einhergeht. Und dass der starke Mann, wenn er nicht so klug ist, dazu neigt, die Gründe für seinen persönlichen Erfolg für allgemeingültig zu halten: Das, was mich groß gemacht hat, macht auch das Land groß. Den ganzen Kommentar (SZ Plus) lesen Sie hier:
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