Offensive in Syrien: Assad soll aus Damaskus geflohen sein ...
Syriens Machthaber Baschar al-Assad hat die Hauptstadt Damaskus offenbar verlassen. Die Milizionäre verkünden den Beginn einer neuen Ära in einem »freien Syrien«. Der Ministerpräsident will bei einem Machtwechsel kooperieren.
08.12.2024, 05.06 Uhr
Foto von Baschar al-Assad hinter zerbrochenem Glas in Hama: Milizionäre melden »das Ende dieser dunklen Ära«
Foto:Omar Haj Kadour / AFP
Syriens Machthaber Baschar al-Assad hat die Hauptstadt Damaskus mit unbekanntem Ziel verlassen. Das sagte der Leiter der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, Rami Abdel-Rahman, der Nachrichtenagentur dpa. Er berief sich dabei auf syrische Offiziere in Damaskus.
Auch islamistische Milizionäre in Syrien meldeten die Flucht Assads – und den Sturz seines Regimes. »Wir verkünden, dass die Hauptstadt Damaskus (von ihm) befreit wurde«, teilten die Aufständischen in sozialen Medien mit. »Dies ist der Moment, auf den die Vertriebenen und die Häftlinge lang gewartet haben, der Moment der Heimkehr und der Moment von Freiheit nach Jahrzehnten der Unterdrückung und des Leids.«
Der 8. Dezember markiere »das Ende dieser dunklen Ära« der Unterdrückung unter Assad und seinem Vater Hafis al-Assad, die in dem Land mehr als 50 Jahre lang geherrscht hatten. Gerichtet an die Millionen Flüchtlinge, die durch den Bürgerkrieg vertrieben wurden, erklärten die Aufständischen: »An die Vertriebenen weltweit, ein freies Syrien erwartet euch.«
Nach Bekanntwerden der Berichte über Assads Flucht brach im Zentrum der syrischen Hauptstadt Jubel aus. Anwohnerinnen und Anwohner klatschten auf der Straße, einige waren beim Gebet zu beobachten, wie Augenzeugen berichteten. In sozialen Netzwerken machten Videos von Anwohnern die Runde, die auf einen Panzer klettern und feierliche Gesänge anstimmen. Einige tanzten demnach, andere riefen Gott segne das neue Syrien. Laut Augenzeugen waren Freudenschüsse zu hören.
Syrer feiern die Ankunft von Oppositionskämpfern in Damaskus
Foto:Omar Sanadiki / AP / dpa
Syriens Ministerpräsident Mohammed al-Dschalali ist eigenen Angaben zufolge weiterhin im Land und will bei einem Machtwechsel kooperieren. »Wir sind bereit, (die Macht) an die gewählte Führung zu übergeben«, sagte er in einer Videobotschaft, die er laut eigener Aussage in seinem Zuhause aufzeichnete. Über diese Führung müsse das Volk entscheiden. »Wir sind bereit, sogar mit der Opposition zusammenzuarbeiten.«
Die Bürger rief er bei den laufenden Entwicklungen auf, zu kooperieren und kein öffentliches Eigentum zu beschädigen. Syrien könne ein »normaler Staat sein« mit freundschaftlichen Beziehungen mit seinen Nachbarn. Er selbst habe kein Interesse an einem politischen Amt oder anderen Privilegien. »Wir glauben, dass Syrien allen Syrern gehört.« Die Berichte über Assads Flucht aus Damaskus erwähnte Dschalali in seiner Videobotschaft nicht.
Dschalali war zuvor Minister für Kommunikation und ist erst seit wenigen Monaten Ministerpräsident in der Assad-Regierung. Unter anderem wurde er von der Europäischen Union mit Sanktionen belegt – wegen seiner Beteiligung an der gewaltsamen Unterdrückung der Bevölkerung in Syrien.
Milizionäre erobern HomsIn den Stunden zuvor hatte sich der Vormarsch der Milizionäre in Richtung Damaskus in großem Tempo fortgesetzt. Aus dem Süden und Norden näherten sich der Hauptstadt unterschiedliche Rebellengruppen und kreisten sie ein. Orte im Umland von Damaskus sind Aktivisten zufolge bereits umstellt.
Syrische Soldaten verlassen das Land Berichten zufolge in Scharen. Der Irak habe mehr als tausend Soldaten aus dem Nachbarland aufgenommen, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur INA. Der Nachrichtensender Al Jazeera zitierte einen Sprecher der irakischen Regierung, wonach sogar bereits 2000 syrische Soldaten mit voller Ausrüstung in den Irak gekommen seien.
Am Samstag hatten die Milizionäre die strategisch wichtige Millionenstadt Homs eingenommen – dies gilt als Wendepunkt in ihrem Kampf gegen Assads Regierungstruppen (alle Entwicklungen des Tages können Sie hier nachlesen).
Die drittgrößte Stadt Syriens befindet sich zwischen Aleppo im Norden und Damaskus im Süden. Mit der Einnahme Homs steht den Milizionären der Weg von Norden aus in die rund 160 Kilometer entfernte Hauptstadt frei. Aus dem Süden rücken andere aufständische Gruppen vor.
Der Bürgerkrieg in Syrien hatte 2011 mit Protesten gegen die Regierung begonnen. Die Gewaltspirale mündete in einen Krieg mit internationaler Beteiligung, in dem Russland, Iran, die Türkei und die USA eigene Interessen verfolgen. Rund 14 Millionen Menschen wurden vertrieben. Nach Uno-Schätzungen kamen bisher mehr als 300.000 Zivilisten ums Leben. Eine politische Lösung zeichnete sich bis zuletzt nicht ab.
Am 27. November war der Krieg in Syrien mit der Offensive der Islamisten-Allianz Haiat Tahrir al-Scham (HTS) neu aufgeflammt. Innerhalb kurzer Zeit übernahmen die Aufständischen die Kontrolle über viele Orte, darunter Aleppo und Hama. Das Bündnis strebt den Sturz der syrischen Regierung an.
Der designierte US-Präsident Donald Trump machte derweil klar, er wolle nicht, dass sich die USA in irgendeiner Form in die Krise in Syrien einmischen. Das Land stecke in großen Schwierigkeiten, aber es sei kein Freund der USA, »und die Vereinigten Staaten sollten nichts damit zu tun haben«, erklärte der Republikaner bei X und Truth Social. »Das ist nicht unser Kampf.«
Aus dem Weißen Haus hieß es, Präsident Joe Biden und sein Team beobachteten die »außergewöhnlichen Ereignisse« in Syrien. Man stehe mit regionalen Partnern in Kontakt.