Assad-Porträt: Vom Hoffnungsträger zum Kriegsherrn

18 Tage vor
Assad

Porträt

Stand: 08.12.2024 09:37 Uhr

Mit seiner Flucht aus Damaskus endet die 24-jährige Herrschaft von Baschar al-Assad in Syrien. Bei seinem Amtsantritt hofften viele Menschen auf einen Wandel. Doch dann stürzte er das Land in einen Bürgerkrieg.

Fast ein Vierteljahrhundert hat Baschar al-Assad in Syrien geherrscht, in mehr als einem Jahrzehnt Bürgerkrieg hielt er sich eisern an der Macht. Die überraschende Offensive, die islamistische Kämpfer der Miliz Hajat Tahrir al-Scham (HTS) und verbündete Verbände am 27. November begannen, bereitete seiner Herrschaft nun aber in wenigen Tage ein Ende.

"Der Tyrann Baschar al-Assad ist geflohen", verkündeten die islamistischen Kämpfer im Onlinedienst Telegram. Ihr Einmarsch in die Hauptstadt Damaskus bedeute "das Ende dieser dunklen Zeit und der Beginn einer neuen Ära für Syrien". Auch die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte erklärte, Assad habe Syrien über den internationalen Flughafen von Damaskus verlassen.

Medizinstudium in London

Der 59-Jährige hatte die Macht im Land im Jahr 2000 von seinem kurz zuvor verstorbenen Vater Hafis al-Assad übernommen. Ursprünglich war sein älterer Bruder Bassel als Nachfolger bestimmt gewesen, dieser starb jedoch 1994 bei einem Autounfall. Deshalb beendete Baschar sein Medizinstudium in London und kehrte nach Syrien zurück.

Dort ließ er sich militärisch ausbilden und von seinem Vater auf die Regierungsgeschäfte vorbereiten, statt Augenarzt zu werden und mit seiner syrisch-britischen Frau Asma und seinen drei Kindern ein von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtetes Leben zu führen.

Nach dem Tod seines Vaters wurde Assad in einem Referendum ohne Gegenkandidaten zum neuen syrischen Staatschef bestimmt. Als der damals 34-Jährige für das Amt vereidigt wurde, war er für viele Syrer ein Hoffnungsträger. Sie sahen eine Chance, dass er die jahrelange Unterdrückung und den unter seinem Vater etablierten Überwachungsstaat beenden und eine Liberalisierung der Wirtschaft einleiten werde.

Erzwungener Rückzug aus dem Libanon

Tatsächlich lockerte Assad einige der umfangreichen Restriktionen, die sein Vater seit Beginn seiner Herrschaft 1970 verfügt hatte. Außerdem inszenierte sich der Alawit als Beschützer der verschiedenen Minderheiten im Land. Außenpolitisch führte Assad die antiisraelische Politik seines Vaters fort, sah Iran als Verbündeten und versuchte den Einfluss auf das kleine Nachbarland Libanon zu erhalten.

Doch Syrien wurde die Beteiligung am Bombenattentat auf den Politiker Hariri 2005 in Beirut vorgeworfen. Hariri war ein scharfer Kritiker von Assads Einfluss im Libanon. Hariris Tod wurde zur Niederlage Assads, denn internationaler Druck zwang Syrien, seine Truppen aus dem Libanon abzuziehen. Auch sein Image als bürgernaher Reformer verflüchtigte sich schnell.

Eskalation im Arabischen Frühling

Unter seiner Herrschaft, die bei der Präsidentschaftswahl 2007 verlängert wurde, wurden Intellektuelle und andere Regierungskritiker inhaftiert. Als der Arabische Frühling im März 2011 Syrien erreichte, forderte die Bevölkerung in friedlichen Protesten einen Wandel. Doch Assad, Präsident und Oberbefehlshaber der syrischen Armee zugleich, sprach der Opposition jegliche Legitimation ab. Sie sei fremdgesteuert.

"Syrien steht vor einer großen Verschwörung, die auf entfernte und umliegende Staaten zurückgeht", sagte er in seiner ersten öffentlichen Rede nach den ersten Demonstrationen. Assad griff zu den härtesten Mitteln, um die Proteste zu ersticken. Er schickte Panzer, in der Annahme, dass die Demonstranten angesichts der Brutalität aufgeben würden.

Doch Assad irrte sich. Im Juli 2011 griffen Teile der Opposition zu den Waffen. Das Land versank in einem Bürgerkrieg, in dem mehr als eine halbe Million Menschen getötet und die Hälfte der Bevölkerung zu Vertriebenen wurden.

Unterstützung durch Russland und dem Iran

2013 starben mehr als tausend Syrer durch Giftgas. Der US-Geheimdienst machte Assad dafür verantwortlich. Die syrische Regierung dementierte, aber es drohte eine militärische Intervention der USA, da US Präsident Barack Obama ein halbes Jahr zuvor den Einsatz von Massenvernichtungswaffen als nicht akzeptabel erklärt hatte. Assad entschärfte die drohende Gefahr einer US-Intervention, indem er die Vernichtung von Chemiewaffen anbot.

Im Ausland suchte er nicht nur beim Iran und der pro-iranischen Hisbollah-Miliz im Libanon, sondern auch bei Russland Unterstützung. Das Eingreifen Moskaus in den syrischen Bürgerkrieg mit massiven Luftangriffen hielt Assad 2015 an der Macht.

Nur scheinbar eingefrorener Konflikt

Dem Volk und dem Ausland präsentierte er sich als Syriens einzig möglicher Machthaber angesichts der Bedrohung durch islamistische "Terroristen." Um Regierungskritiker wegzusperren, baute Assads Sicherheitsapparat ein Netzwerk aus Haftzentren auf. Sie waren berüchtigt wegen der Misshandlung von Häftlingen.

Bis Ende November schien es, als habe sich der seit 2011 schwelende Konflikt entlang eingefrorener Konfliktlinien beruhigt, wobei Assads Regierung die Kontrolle über den größten Teil des syrischen Territoriums zurückgewann. Obwohl Damaskus weiterhin unter lähmenden westlichen Sanktionen stand, hatten die Nachbarländer begonnen, sich mit Assads Machterhalt abzufinden.

Die Arabische Liga nahm Syrien im vergangenen Jahr wieder auf, Saudi-Arabien kündigte im Mai die Ernennung seines ersten Botschafters in Syrien seit dem Abbruch der Beziehungen zu Damaskus 12 Jahre zuvor an.

Nun endet mit Assads Flucht aus Damaskus die knapp 54 Jahre währende Herrschaft seiner Familie.

Mit Informationen von Alexander Stenzel, ARD-Studio Kairo

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