Stichwahl entschieden: Anarchokapitalist Milei gewinnt ...
Er will die Zentralbank zerschlagen, Ausgaben »mit der Kettensäge« kürzen – das kam bei den Wählern an: Rechtspopulist Javier Milei wird argentinischer Präsident. Der Konkurrent gratulierte bereits.

20.11.2023, 01.16 Uhr
Javier Milei (am 16. November)
Foto: MATIAS BAGLIETTO / REUTERSSein Wahlkampf war, vorsichtig formuliert, ungewöhnlich. Beobachter bezeichneten ihn als »Punk-Kandidat«. Nun ist es entschieden: Javier Milei wird Präsident von Argentinien. Regierungskandidat Sergio Massa hat bei der Präsidentenwahl seine Niederlage eingeräumt.
»Javier Milei ist Präsident«, sagte der amtierende Wirtschaftsminister am Sonntagabend (Ortszeit) über seinen ultraliberalen Rivalen. »Ich habe ihm gratuliert, denn die Mehrheit der Argentinier hat ihn gewählt.«
Nach der Auszählung von 86 Prozent der Stimmen lag Milei mit 55,95 Prozent deutlich vor Massa mit 44,04 Prozent. Bei der Stichwahl waren rund 36 Millionen Argentinier aufgerufen, ihre Stimme abzugeben.
»Heute beginnt das Ende des Niedergangs Argentiniens«, sagte Milei am Sonntagabend (Ortszeit) in seinem Wahlkampf-Hauptquartier in Buenos Aires. »Wir werden das Modell der Freiheit anwenden, um wieder eine Weltmacht zu werden«, so Milei weiter in seiner Siegesrede. Seine künftige Regierung stehe vor »monumentalen Problemen«, er nannte »Inflation, Stagnation, das Fehlen echter Arbeitsplätze, Unsicherheit, Armut und Elend«. Diese könnten nur gelöst werden, wenn »wir uns wieder die Ideen der Freiheit zu eigen machen«, sagte er weiter.
Mit Blick auf mögliche Proteste gegen seine Politik erklärte Milei: »Wir wissen, dass es Leute geben wird, die Widerstand leisten werden, die dieses System aufrechterhalten wollen, das Privilegien für einige bietet, aber die Mehrheit verarmen lässt. Ich sage ihnen Folgendes: Alles, was im Gesetz steht, ist erlaubt – aber nichts, was außerhalb des Gesetzes steht«.
Der selbst ernannte »Anarchokapitalist« Milei hatte im Wahlkampf eine radikale Kehrtwende versprochen: Der Rechtspopulist will den US-Dollar als gesetzliches Zahlungsmittel einführen, die Zentralbank sowie viele Ministerien abschaffen und die Sozialausgaben kürzen. Er hatte im Wahlkampf angekündigt, die öffentlichen Ausgaben »mit der Kettensäge« kürzen zu wollen. Das kommt vor allem bei jungen Leuten gut an, die oft nur ein Leben im ständigen Krisenmodus kennen.
Regierungskandidat Massa stand für die bisherige Politik mit massiven Eingriffen des Staates in die Wirtschaft und umfangreichen Sozialprogrammen.
Beobachter im In- und Ausland sind schockiert über den Aufstieg des Außenseiters. Mileis Sieg könnte die argentinische Demokratie auf die schwerste Belastungsprobe seit dem Ende der Militärdiktatur 1983 stellen. Und er wird das Land vermutlich weit nach rechts führen. Papst Franziskus, einen Landsmann, hat er als »lausigen Linken« beschimpft, Brasiliens Staatschef Lula ist für ihn ein Kommunist. Das südamerikanische Wirtschaftsbündnis Mercosur könnte an Milei zerbrechen. Ein ausführliches Porträt des rechten Politikers lesen Sie hier .
Die zweitgrößte Volkswirtschaft Südamerikas steckt in einer tiefen Wirtschaftskrise. Die Inflationsrate liegt bei über 140 Prozent, rund 40 Prozent der Menschen in dem einst reichen Land leben unterhalb der Armutsgrenze. Argentinien leidet unter einem aufgeblähten Staatsapparat, geringer Produktivität der Industrie und einer großen Schattenwirtschaft, die dem Staat viele Steuereinnahmen entzieht.
Die Landeswährung Peso verliert gegenüber dem US-Dollar immer weiter an Wert, der Schuldenberg wächst ständig. Viele fürchten, dass Argentinien in eine Hyperinflation wie in den Achtzigerjahren abgleiten könnte.