Gewalt in Amsterdam: Was wir über die antisemitischen Attacken in ...

3 Tage vor

In Amsterdam attackierten nach einem Fußballspiel Palästina-Unterstützer gezielt jüdische Fans. Die Angreifer sollen sich auf Telegram organisiert haben. Was wir wissen.

Amsterdam - Figure 1
Foto ZEIT ONLINE

Aktualisiert am 9. November 2024, 12:12 Uhr

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Propalästinensische Demonstrierende haben sich während des Europa-League-Spiels zwischen Ajax Amsterdam und Maccabi Tel Aviv unweit des Fußballstadions zu einer Kundgebung versammelt. © Jeroen Jumelet/​ANP/​AFP/​Getty Images

Aus Amsterdam gehen Videos um die Welt, in denen zu sehen ist, wie israelische Fans nach einem Fußballspiel von propalästinensischen Demonstrierenden durch die Stadt gejagt werden. Die Polizei berichtet von Festnahmen und mehreren Verletzten. In Telegram-Gruppen war nach Angaben der Amsterdamer Bürgermeisterin Femke Halsema dazu aufgerufen worden, "Juden zu jagen". Andere Videos aus der Nacht zuvor zeigen, dass israelische Fans Hass geschürt haben, etwa indem sie Palästina-Fahnen von Häusern rissen. Auch sollen sie Freude über den Tod von Palästinensern im Gazastreifen gezeigt haben. Was wir bisher über die Ausschreitungen in Amsterdam wissen.

Alle Fragen im Überblick: Was ist in Amsterdam passiert? Wie kam es zu den Ausschreitungen? Wie hatten sich die Behörden auf das Spiel vorbereitet? Wie sieht die Situation der israelischen Fußballfans am Tag danach aus? Wie reagieren Politiker auf die Ausschreitungen?
Was ist in Amsterdam passiert?

Rund um das Europa-League-Spiel des niederländischen Erstligisten Ajax Amsterdam gegen den israelischen Club Maccabi Tel Aviv kam es in der niederländischen Hauptstadt zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen israelischen Fußballfans und etwa 200 propalästinensischen Demonstrierenden. Wie die Polizei mitteilte, wurden an mehreren Orten im Zentrum israelische Fans angegriffen. Fünf Verletzte mussten im Krankenhaus behandelt werden. 62 Menschen wurden festgenommen, die meisten von ihnen aber wieder entlassen.

Die Unruhestifter seien "aktiv auf die Suche gegangen nach israelischen Fans, um sie anzugreifen und zu misshandeln", heißt es in einer Erklärung von Stadt und Polizei. Bürgermeisterin Halsema sagte, Anhänger von Maccabi Tel Aviv seien "angegriffen, beleidigt und mit Feuerwerkskörpern beworfen worden". Sie berichtete zudem von Telegram-Gruppen, in denen dazu aufgerufen worden war, "Juden zu jagen".

Nach einem Bericht des TV-Senders NOS hatten Palästina-Unterstützer zuerst versucht, eine Blockade der Polizei zu durchbrechen und in das Stadion, die Johan-Cruijff-Arena, zu gelangen. Nach dem Spiel hätten Palästina-Unterstützer den israelischen Fans dann an mehreren Orten in der Stadt aufgelauert. Offenbar bewarfen die Demonstrierenden Maccabi-Fans mit Stühlen. Videos in den sozialen Medien zeigen unter anderem, wie auf einen am Boden liegenden Mann eingetreten wird und Menschen von einem Mob durch die Stadt gejagt werden. Dabei sind Free-Palestine-Rufe zu hören. Polizeikräfte hätten die Fans danach abgeschirmt und in ihre Hotels begleitet.

Zwischenzeitlich hatte das israelische Außenministerium mitgeteilt, zu zehn Staatsbürgern keinen Kontakt zu haben. Mittlerweile konnte die Behörde alle Betroffenen erreichen.

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Wie kam es zu den Ausschreitungen?

Laut Bürgermeisterin und Polizei wurden die Attacken auf die israelischen Fußballfans gezielt geplant. Unklar ist, wann diese Planung begann und ob die vorige Gewalt vonseiten israelischer Fußballfans dabei eine Rolle spielte.

Denn es kursieren Videos von der Nacht vor dem Fußballspiel in den sozialen Netzwerken. Diese zeigen, wie etliche israelische Fans durch das Stadtzentrum von Amsterdam ziehen und dabei "Fuck you, fuck you, fuck you Palestine" rufen. Es ist zu sehen, wie sie Palästina-Fahnen von Gebäuden reißen, eine davon sollen sie angezündet haben. Die niederländische Zeitung De Telegraaf berichtet zudem, die Fans hätten Autofahrer in der Gegend angegriffen und Freude über den Tod von Palästinensern im Gazastreifen gezeigt.

Am Nachmittag vor dem Spiel hatte es außerdem im Zentrum von Amsterdam Zusammenstöße zwischen israelischen Fans und Sicherheitskräften gegeben. Hunderte Maccabi-Fans hatten sich demnach auf dem zentralen Platz Dam aufgehalten und illegal Feuerwerkskörper gezündet. Dabei wurden nach Polizeiangaben auch etwa zehn israelische Fans wegen Störung der öffentlichen Ordnung und des verbotenen Besitzes von Feuerwerkskörpern festgenommen.

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Wie hatten sich die Behörden auf das Spiel vorbereitet?

Die niederländischen Sicherheitskräfte sollen vor möglichen Ausschreitungen gewarnt worden sein. Israels Diaspora-Ministerium habe vorab über Pläne Bescheid gewusst, einen bestimmten israelischen Fan zu verletzen, der für den israelischen Grenzschutz arbeiten soll, heißt es aus israelischen Medien. Gleiches gelte für einen geplanten Angriff auf ein Hotel, in dem israelische Fußballanhänger übernachtet haben. Die niederländischen Behörden seien darüber informiert worden.

Ob dort Warnungen aus Israel übersehen wurden, werde nun geprüft. "Eine Untersuchung über mögliche Warnzeichen aus Israel wird noch durchgeführt", heißt es in einem Brief des niederländischen Justizministers David van Weel an das Parlament. "Die Staatsanwaltschaft hat erklärt, dass sie so schnell wie möglich Gerechtigkeit walten lassen will", teilte van Weel darin mit. Jeder Verdächtige müsse identifiziert werden. Es werde auch untersucht, ob es sich um gezielte, organisierte Angriffe handele.

In Teilen von Amsterdam gab es für den Tag besondere Sicherheitsvorkehrungen. Zudem sagte der Chef der Amsterdamer Polizei, Peter Holla, dass die Einsatzkräfte wegen der internationalen Spannungen "maximal vorbereitet" gewesen seien. "Aber dass es zu einer solchen Explosion der Gewalt kommen würde, haben wir nicht erwartet", sagte Holla. Das Spiel war zuvor als Risikospiel eingestuft worden, 800 Beamte waren im Einsatz.

Die Bürgermeisterin von Amsterdam hatte am Mittwoch eine propalästinensische Demonstration untersagt, die direkt am Stadion hätte stattfinden sollen, und stattdessen einen anderen Platz bestimmt.

Niederländische Polizeibeamte stehen Wache, nachdem es infolge des Fußballspiels zwischen Ajax Amsterdam und Maccabi Tel Aviv zu Ausschreitungen gekommen war. © VLN Niews/​ANP/​AFP/​Getty Images

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Wie sieht die Situation der israelischen Fußballfans am Tag danach aus?

Das israelische Ministerium für öffentliche Sicherheit und das Außenministerium haben laut der israelischen Zeitung Ha'aretz mitgeteilt, dass niederländische Einsatzkräfte innerhalb Amsterdams positioniert worden sind. Sie sollen dafür sorgen, dass die israelischen Fans sicher zum Flughafen gelangen. Damit hoben sie eine frühere Anweisung auf, welche die Fans dazu aufgefordert hatte, vorerst in ihren Hotelzimmern zu bleiben.

Auch die Ankündigung, eine "Rettungsdelegation" nach Amsterdam zu entsenden, nahm das Büro von Premierminister Benjamin Netanyahu inzwischen zurück. Man werde sich stattdessen auf "zivile Lösungen" für die in Amsterdam lebenden israelischen Bürger konzentrieren. Bürgermeisterin Halsema erließ eine Notverordnung. Diese erlaubt der Polizei präventive Durchsuchungen und sieht ein Demonstrationsverbot am Wochenende sowie höhere Sicherheitsvorkehrungen für jüdische Einrichtungen vor, wie die niederländische Zeitung De Telegraaf berichtet.

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Wie reagieren Politiker auf die Ausschreitungen?

Sowohl in den Niederlanden als auch international führten die Videos aus Amsterdam zu Entsetzen. Der niederländische Ministerpräsident Dick Schoof verurteilte die Angriffe. Er habe die Berichte aus der Hauptstadt mit Entsetzen verfolgt und stehe in "engem Kontakt mit allen Beteiligten", schrieb Schoof auf X. Inzwischen sei es wieder ruhig in Amsterdam. Bürgermeisterin Halsema zeigte sich schockiert von den Ereignissen. "Unsere Stadt wurde schwer beschädigt, unser jüdisches Leben und unsere Kultur sind bedroht."

"Da findet 2024 in Europa ein Pogrom statt", kommentierte der israelische UN-Botschafter Danny Danon auf X. Der israelische Außenminister Gideon Sa'ar schrieb ebendort: "Nach den schwerwiegenden Vorfällen stehen wir mit den Behörden in den Niederlanden in Kontakt. Jeder Israeli oder Jude, der sich derzeit in Not befindet oder Informationen zu den Gewalttaten hat, wendet sich bitte an das Lagezentrum."

Der Vorsitzende der israelischen Holocaustgedenkstätte Yad Vashem, Dani Dayan, warnte vor einem leichtfertigen Umgang mit Antisemitismus: "Die Geschichte hat uns gezeigt, dass wir es uns nicht leisten können, angesichts des Antisemitismus selbstzufrieden zu sein." Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, schrieb auf X: "Das sind Bilder des Schreckens." Er mahnte: "Wir müssen diese Entwicklung sehr ernst nehmen."

"Wir sind uns der Verantwortung bewusst, die aus der Schoah erwächst. Besonders, da sich Judenhass in unserer Gesellschaft in einem erschreckenden Ausmaß zeigt", sagte die deutsche Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD). "Das gilt nicht nur für Deutschland. Gerade erst heute Morgen sehen wir schockierende Bilder aus Amsterdam von unerträglicher Gewalt gegen israelische Fußballfans." Der SPD-Abgeordnete Dirk Wiese sagte mit Blick auf eine umstrittene Resolution: "Wir haben gestern hier im Deutschen Bundestag ein Zeichen gegen Antisemitismus gesetzt."

Der Grünen-Politiker und frühere Bundestagsabgeordnete Volker Beck sagte in einem Interview mit dem Deutschlandfunk: "Das ist wirklich schockierend, dass wir das auf dem europäischen Kontinent in dieser Offenheit noch einmal erleben." Er forderte ein rigoroses Vorgehen der Polizei gegen antisemitische Gewalttäter. Es gebe keine Rechtfertigung, Gewalt als Instrument der Auseinandersetzung anzuwenden.

Das palästinensische Außenministerium im Westjordanland betonte, "Gewalt in all ihren Formen" abzulehnen. Das Ministerium verurteilte in seiner Mitteilung zugleich die antiarabischen Parolen und Angriffe auf die palästinensische Flagge durch israelischen Fans. Die Behörde forderte die niederländische Regierung auf, Palästinenser und Araber zu schützen sowie die israelischen Verantwortlichen ausfindig zu machen.

Für diesen Artikel haben wir neben eigenen Recherchen auch Material der Nachrichtenagenturen dpa, Reuters und AFP verwendet.

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