Ringen um Zukunft der Ampel: Dreiertreffen im Kanzleramt
Stand: 06.11.2024 12:12 Uhr
Die Ampel kämpft ums Überleben: Kanzler Scholz, Wirtschaftsminister Habeck und Finanzminister Lindner beraten in kleiner Runde über Wirtschafts- und Haushaltspolitik. SPD-Chef Klingbeil rief dazu auf, parteitaktische Überlegungen "über Bord zu werfen".
Es könnte heute ein entscheidender Tag für die Zukunft der Ampelkoalition werden. Kanzler Olaf Scholz (SPD), Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) treffen sich erneut im Berliner Kanzleramt. Es geht vor allem darum, wie das Milliardenloch im Haushalt 2025 gestopft und die angeschlagene deutsche Wirtschaft wieder auf Trab gebracht werden kann.
Seit Tagen lädt Scholz zu Treffen in kleinen Runden, in denen es um die Zukunft der Koalition geht. Am Abend tritt mit dem Koalitionsausschuss dann eine größere Runde zusammen, der auch die Partei- und Fraktionschefs von SPD, Grünen und FDP angehören. Sollte der Koalitionsausschuss am Abend keine Lösung finden, steht auch ein Ende der Ampel-Regierung im Raum.
Klingbeil: "Parteitaktische Überlegungen über Bord werfen"Eine Rolle könnte auch der Sieg Donald Trumps und der Republikaner bei den US-Wahlen spielen. SPD-Chef Lars Klingbeil rief, auch vor diesem Hintergrund, am Morgen die Parteien der Ampelkoalition zu Kompromissbereitschaft auf.
"Ich wünsche mir, dass alle jetzt parteitaktische Überlegungen über Bord werfen, dass man sich auch im Koalitionsausschuss heute Abend in die Augen guckt, dass man sich noch mal klarmacht, welche Verantwortung man jetzt trägt", sagte er bei tagesschau24.
Mützenich: "Integrität in diesen Stunden"SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich appellierte an die Koalitionspartner, sich beim Koalitionsausschuss am Abend auf den Bundeshaushalt 2025 zu einigen. "Ich glaube, dass der Bundeskanzler dafür noch alles versuchen wird", sagte Mützenich in der ARD. Der Kanzler müsse aus seinen Gesprächen heraushören, ob diese neue Situation in den USA "vielleicht dann auch noch mal zu einem Umdenken führt", sagte er, ohne konkreter zu werden.
"Ich glaube, dass der Kanzler genügend Argumente dafür hat, dass wir heute auch zu einer Verständigung kommen. Wir dürfen nicht kleinteilig sein, wir dürfen nicht nach Effekthascherei gehen. Und insbesondere Integrität ist in diesen Stunden gefragt", so Mützenich.
Mihalic: Koalition steht "Spitz auf Knopf"Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Irene Mihalic, macht dem Koalitionspartner FDP schwere Vorhaltungen. Die Bundesregierung stehe mal wieder "Spitz auf Knopf", sagte sie in Berlin. Angesichts des sich abzeichnenden Wahlsiegs von Donald Trump in den USA komme es auf den europäischen Zusammenhalt und auf Deutschland als Stabilitätsanker an.
Es sei nicht akzeptabel, dass insbesondere sich ein Koalitionspartner nicht zur gemeinsamen Krisenbewältigung bereit zeige, sagte Mihalic mit Blick auf die FDP. "Der Finanzminister hat sich komplett verrechnet."
Angeschlagene Wirtschaft und Milliardenloch im HaushaltUnterschiedliche Papiere hatten den Konflikt über die Wirtschaftspolitik zuletzt befeuert. So drängt die FDP ihre Koalitionspartner massiv zu einer Kursänderung in der Wirtschaftspolitik und fordert konkrete Beschlüsse von der Sitzung des Koalitionsausschusses.
Sollte sie sich mit ihren Vorstellungen nicht durchsetzen können, dürfte sich die Frage nach einem Ausscheiden der Liberalen aus der Koalition stellen. FDP-Chef Lindner hatte seine Vorstellungen vergangene Woche in einem wirtschaftspolitischen Grundsatzpapier formuliert. Bei SPD und Grünen stießen sie auf Ablehnung.
Verabschiedung des Nachtragshaushalts 2024 verschobenAußerdem müssen vor der entscheidenden Sitzung des Haushaltsausschusses zum Etat 2025 am 14. November auch noch Lücken geschlossen werden.
Die ursprünglich für kommenden Freitag im Bundestag geplante Verabschiedung des Nachtragshaushalts für 2024 hat die Ampel nun erstmal verschoben. Der Nachtragsetat und der Haushalt für 2025 stünden in einem untrennbaren Zusammenhang, sagte Mihalic.
Daher sei es notwendig, den Nachtrag zusammen mit dem Etatentwurf für 2025 in der für kommende Woche geplanten Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses zu beraten. Nur damit sei sichergestellt, "dass die Wechselwirkungen zwischen den beiden Haushalten auch für die Opposition transparent nachvollziehbar sind".
Die Bundesregierung hatte den Nachtragsetat im Sommer auf den Weg gebracht. Dem Entwurf zufolge soll die Neuverschuldung für 2024 um 11,3 Milliarden Euro auf 50,3 Milliarden Euro erhöht werden. Das Geld wird benötigt, um Mehrkosten bei der Ökostrom-Förderung und im Bürgergeld zu decken.