Alzheimer-Medikament Lecanemab erhält Empfehlung zur ...

17 Stunden vor

In den USA, Japan, Südkorea und China gibt es bereits seit Monaten zwei neue Medikamente gegen die Alzheimer-Krankheit, die häufigste Form von Demenz. Doch in der EU ist bisher keines der Medikamente zugelassen. Die europäische Arzneimittelaufsicht EMA hatte dem ersten der beiden Medikamente im Juli 2024 sogar eine Absage erteilt. Sie hielt das Nutzen-Risiko-Profil für zu ungünstig. Am Donnerstagabend revidierte sie ihre Entscheidung. Nun empfiehlt die EMA die Zulassung des Medikaments Lecanemab (Handelsname Leqembi) – allerdings nur für einen eingeschränkten Personenkreis. Über das Mittel hat die SZ mit dem Alzheimer-Experten Richard Dodel von der Universität Duisburg-Essen gesprochen.

Alzheimer-Medikament Lecanemab - Figure 1
Foto Süddeutsche Zeitung

SZ: Im Juli hatte die EMA die Zulassung von Lecanemab noch abgelehnt, nun empfiehlt sie das Medikament doch. Weshalb?

Richard Dodel: Sie hat ihre Einschätzung nach einem Einspruch des Herstellers noch einmal überprüft. Und tatsächlich gibt es inzwischen eine neue Auswertung von Daten aus klinischen Studien, die dem Medikament einen größeren Nutzen und weniger Nebenwirkungen bescheinigen als die bisherigen Daten. Jetzt ist die Schwelle überschritten, dass das Medikament tatsächlich einen klinisch bedeutsamen Unterschied für den Patienten macht, man spricht von der „minimal clinically important difference“.

Die EMA empfiehlt das Medikament aber nicht für alle Patienten.

Richtig, sie hat Ausnahmen vorgenommen. Zunächst einmal wird das Medikament ohnehin nur für Menschen empfohlen, bei denen eine leichte kognitive Beeinträchtigung oder eine leichte Alzheimer-Demenz vorliegt. Bei fortgeschrittener Alzheimer-Erkrankung ist die Substanz noch nicht getestet worden. Außerdem empfiehlt die EMA, die Zulassung auf jene Patienten zu beschränken, bei denen ein bestimmtes Gen nicht doppelt vorliegt, das sogenannte Apolipoprotein E4, kurz ApoE4. Denn man weiß, dass bei Patienten mit zwei Kopien von diesem Gen ernste Nebenwirkungen von Lecanemab gehäuft auftreten, die Aria – das sind Unregelmäßigkeiten auf MRT-Bildern, die als Vorboten für Hirnblutungen gelten. Deshalb können auch Patienten, die Gerinnungshemmer nehmen und deshalb ohnehin ein vergrößertes Blutungsrisiko haben, nicht berücksichtigt werden.

Wie viele Patienten werden wegen der ApoE-Gene ausgeschlossen sein?

Es ist ein beträchtlicher Teil von Patienten, für die die Therapie deshalb nicht infrage kommen wird. Man geht davon aus, dass etwa 25 Prozent der Demenz-Patienten zwei ApoE-Kopien haben. Das festzustellen, gehörte aber bisher nicht zur Routinediagnostik. Es muss also bei jedem einzelnen Patienten erst einmal untersucht werden.

Alzheimer-Medikament Lecanemab - Figure 2
Foto Süddeutsche Zeitung
Der Geriater Richard Dodel ist Experte für neurodegenerative Erkrankungen an der Universität Duisburg-Essen und ist Koordinator der ärztlichen Leitlinie zur Behandlung von Demenzen. (Foto: oh)

Wie bewerten Sie das Hin und Her der EMA?

Ich konnte die Zurückhaltung im Juli gut nachvollziehen und ebenso, dass man sich jetzt angesichts der etwas besseren Daten anders entschieden hat. Das Medikament ist ein Fortschritt, es kann den Krankheitsverlauf ein knappes halbes Jahr aufhalten. Aber heilen kann es die Krankheit nicht.

Wieso haben andere Länder so viel schneller die Zulassung ausgesprochen? In den USA, China, Japan und Südkorea gibt es Lecanemab ebenso wie ein ähnliches Präparat namens Donanemab seit Monaten. Zu Donanemab hat sich die EMA noch nicht einmal geäußert.

Man muss bedenken, dass wir in Europa Solidarsysteme im Gesundheitswesen haben und den Nutzen neuer Medikamente nicht nur gegen die Risiken, sondern auch gegen die Kosten abwägen müssen. Die Behandlung mit dem Medikament kostet 26 000 Euro pro Jahr, hinzu kommt die begleitende Diagnostik und Versorgung, die nötig ist. Die Kosten können sich leicht auf 40 000 Euro im Jahr aufsummieren.

:"Was die grauen Zellen trainiert, ist auf jeden Fall von Vorteil"

Neue Medikamente gegen die Alzheimer-Krankheit sollen erstmals das Fortschreiten der Demenz verlangsamen. Doch nach mehreren gescheiterten Versuchen schwingt Skepsis mit. Warum es diesmal trotzdem funktionieren könnte, erklärt Gerontopsychiater Oliver Peters.

Wie geht es jetzt konkret weiter? Die EMA hat die Zulassung nur empfohlen, nicht erteilt.

Erteilt wird die Zulassung von der EU-Kommission. Sie hat jetzt 67 Tage Zeit dafür. Meistens folgt sie der EMA-Empfehlung. Wenn sie es auch in diesem Fall tut, würde die Zulassung spätestens am 20. Januar erteilt.

Könnten Patienten von dem Tag an das Medikament bekommen?

Nein, das wird dann noch ein paar Wochen dauern. Es handelt sich ja nicht um Tabletten, sondern um Antikörper. Die Firma muss diese erst einmal in der entsprechenden Menge für Europa produzieren und zur Verfügung stellen.

Und was ist mit Donanemab?

Dieses Medikament befindet sich noch in der Prüfung, wir rechnen mit einer Entscheidung der EMA im Februar. Es hat einen etwas anderen Angriffsmechanismus als Lecanemab, greift aber im Prinzip an derselben Stelle an: Beta-Amyloide, die sich bei Alzheimer bilden, werden durch die Antikörper aufgelöst. Wie die EMA hier entscheiden wird, ist noch völlig offen.

Hinweis der Redaktion: Im SZ-Gesundheitsforum sprechen Expertinnen und Experten am 25. November ab 19 Uhr online über Demenzen und ihre Behandlungsmöglichkeiten. Es werden auch Fragen von Zuschauenden beantwortet. Die Teilnahme ist kostenlos, eine Anmeldung zum Livestream ist erforderlich unter sz.de/erleben.

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