Wagenknecht vs Weidel bei Welt-TV: Analyse des Duells der AfD ...
Die Frontfrauen von AfD und BSW im TV-Duell: Während Alice Weidel Annäherung sucht, geht Sahra Wagenknecht auf Abstand
Im ersten Aufeinandertreffen der zwei Spitzenpolitikerinnen stritten sie über Migration, Wirtschaft, Russland und Israel. Dabei war ein Unterschied in ihren Positionen überraschend.
Martin U.K. Lengamann/ Welt
Zunächst schien es, als würde die AfD-Parteichefin vor der ehemaligen Linken-Politikerin einen Kotau machen. Es sei wichtig, «lagerübergreifend miteinander zu sprechen», um Lösungen für das Land zu finden, betonte Alice Weidel in ihrem Eingangsstatement beim Duell beim Fernsehsender «Welt». Sie lobte Sahra Wagenknecht als Politikerin mit langjähriger politischer Erfahrung. Doch bei dem freundschaftlichen Ton blieb es nicht.
Die Vorsitzende des Bündnisses Sahra Wagenknecht, kurz BSW, wies die rhetorische Umarmung von sich. Wagenknecht hatte sich offenbar vorgenommen, nicht von der AfD-Chefin vereinnahmt zu werden. Weidel habe sie mehrfach als «nützlichen Idioten der Altparteien, als Steigbügelhalter» bezeichnet, monierte Wagenknecht. Auf die Frage des Moderators, Jan Philipp Burgard, wie der Vorwurf gemeint gewesen sei, entgegnete Weidel trocken, dass Wahlkampf von «überspitzter Sprache» lebe. Dennoch sei mit dem BSW kein «politischer Wandel» möglich.
Es war das erste Aufeinandertreffen der zwei Spitzenpolitikerinnen dieser Art. Es ging um Migration, Wirtschaft, die Haltung zu Russland, der Ukraine und Israel.
Beim Thema Israel weicht Weidel von Parteilinie abÜberraschend waren die Positionen in der Debatte über den Nahostkonflikt. Weidel betonte Israels Recht auf «Selbstverteidigung» – ein Begriff, den Wagenknecht strikt ablehnte. Weidel spezifizierte aber, dass es keine deutschen Waffenlieferungen nach Israel geben dürfe. Ihr AfD-Co-Chef Tino Chrupalla hatte gerade erst erneut zur Deeskalation im Nahostkonflikt aufgerufen.
Wagenknecht warf der israelischen Regierung «barbarische Kriegsführung» im Gazastreifen vor, den sie als «Freiluftgefängnis» bezeichnete. Die Bundesregierung habe es versäumt, Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu zu Verhandlungen über ein Waffenstillstandsabkommen zu drängen. Man müsse die israelische Regierung unter Druck setzen, nicht weiter zu eskalieren, so Wagenknecht.
Keine der beiden Politikerinnen habe am Jahrestag des 7. Oktober eine Gedenkveranstaltung besucht. Weidel sagte, sie an dem Tag im Beisein ihrer jüdischen Freunden «in sich gegangen». Die Aussenministerin Annalena Baerbock kritisierte sie dafür, sich «Israelhasser» zum «Dinner» einzuladen.
Weidel verurteilte den muslimischen Antisemitismus und sagte, dass die israelfeindlichen Demonstranten, die sie als «Krawallbrüder» bezeichnete, nicht mehr in diesem Land wären, wenn die AfD regieren würde. Auf solche Ankündigungen verzichtete Wagenknecht.
Wagenknecht und Weidel: Einigkeit beim Thema RusslandBeim Thema Russland herrschte hingegen viel Einigkeit. Beide Vorsitzenden lehnen, im Einklang mit ihren Parteien, weitere westliche Waffenlieferungen an die Ukraine ab. Weidel nannte die Nato-Osterweiterung als Ursache für den russischen Überfall auf die Ukraine und bezeichnete den Konflikt als einen «Stellvertreterkrieg zwischen den USA und den Russen». Ähnlich klang Wagenknecht, die auf die «Vorgeschichte» verwies und sagte, dass die Russen keine US-Militärbasen in der Ukraine dulden würden.
Anschliessend sprach Wagenknecht sich erneut indirekt für russisches Gas als Energielieferant für Deutschland aus. Weidel nickte zustimmend, als Wagenknecht die Sanktionen gegen Russland kritisierte, die Deutschland schaden würden. Statt einfach weiter Gas aus Russland zu importieren, so Wagenknecht, kaufe die Regierung «sehr teures Gas» aus den USA.
Martin U.K. Lengamann/ Welt
So einig die beiden sich in dieser aussenpolitischen Frage waren, so unterschiedlich waren ihre Positionen zur Neuverschuldung. Beide Politikerinnen haben in Ökonomie promoviert. Wagenknecht forderte, die Schuldenbremse für Investitionen in die «marode Infrastruktur» aufzugeben.
Weidel hingegen lehnte jede Aufweichung der Schuldenbremse als verfassungswidrig ab und sprach sich für Einsparungen im Sozialhaushalt aus. Ihrer Ansicht nach sollte das Bürgergeld nicht länger an Ausländer gezahlt werden.
Der Moderator führte die Differenzen auf die unterschiedliche Sozialisation zurück – Wagenknecht wuchs in der DDR auf, Weidel in Ostwestfalen – und warf Wagenknecht vor, von Haus aus Kommunistin zu sein. Wagenknecht reagierte prompt: «Kommen Sie mir jetzt nicht auf die Tour, ich bin keine Kommunistin.»
Nach der Hälfte der Sendezeit widmete sich die Diskussion dem Thema Migration. Hier war Weidel, die kürzlich zur Kanzlerkandidatin der AfD gewählt wurde, in ihrem Element. Die Union habe unter Angela Merkel geltendes Recht ausser Kraft gesetzt. Weidel nannte Merkel abfällig die «erste grüne Kanzlerin».
Asyl sei aber ein «Aufenthalt auf Zeit» und kein «Vehikel», um nach Deutschland einzuwandern, betonte Weidel. Menschen, die sich den deutschen Pass «erschlichen» hätten, sollte die Staatsbürgerschaft aberkannt werden. Weidel sagte ausserdem, dass die Ausländerkriminalität sei ausser Kontrolle. Es brauche eine qualifizierte Einwanderung nach strengen Kriterien, ähnlich wie in Kanada.
Es gebe «viele Höckes» in der AfD, poltert WagenknechtWagenknecht war sichtlich bemüht, die Bruchlinien zwischen dem BSW und der AfD aufzuzeigen. So sprach sie sich ebenfalls dafür aus, die Zuwanderung zu reduzieren. Betonte aber, dass integrierte Menschen ein Bleiberecht hätten. Weidel und ihrer Partei warf sie vor, mit ihrer Sprache Ressentiments zu schüren. Bei den Vorstellungen des Thüringer Landeschefs Björn Höcke werde ihr «übel», sagte Wagenknecht.
Zur fortgeschrittenen Zeit las Wagenknecht dann problematische Aussagen aus Höckes Buch vor, etwa dass man «leider ein paar Volksteile verlieren werde, die zu schwach oder nicht willens sind, sich der fortschreiten Afrikanisierung, Orientalisierung und Islamisierung zu widersetzen». Die Parteichefin der AfD zeigte sich davon unbeeindruckt. «Wie lange geht das noch?», fragte Weidel, während sie Richtung Kamera blickte. «Ich will nicht, dass so ein Mann in diesem Land macht bekommt», konstatierte Wagenknecht.
Ist Bündnis aus AfD und BSW denkbar`?Dementsprechend war es nicht verwunderlich, dass Wagenknecht eine Koalition zwischen AfD und BSW nach mehrfacher Nachfrage ausschloss – gemeinsame Abstimmungen über Anträge jedoch nicht.
Es gebe zu viele «Höckes» in der Partei, erklärte sie und erinnerte Weidel daran, dass diese in der Vergangenheit selbst ein Parteiausschlussverfahren gegen Höcke angestrebt habe. Wagenknecht deutete an, dass eine Zusammenarbeit mit einer AfD ohne Höcke vorstellbar wäre. Weidel liess sich auf Nachfragen zum Vertreter des Rechtsaussenflügels nicht ein.
Nach gut einer Stunde war die Zeit um. Da hatten sich die Kontrahentinnen gerade warm geredet. Der Moderator beendete das Wortgefecht mit den Worten: «Das schreit nach einem zweiten Duell.»