Russland: Oppositioneller Alexej Nawalny ist nach russischen ...

16 Feb 2024
Alexej Nawalny
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Der russische Oppositionsführer Alexej Nawalny ist laut russischen Angaben tot. Das melden staatliche und unabhängige russische Medien unter Berufung auf die Gefängnisverwaltung. Nawalny habe "nach einem Spaziergang" das Bewusstsein verloren. Wiederbelebungsmaßnahmen durch angeblich sofort eingetroffene Ärzte hätten "kein positives Resultat" gebracht, der Tod Nawalnys sei von einem Rettungsarzt bestätigt worden. Die Gründe für den Tod würden derzeit noch ermittelt.

Der 47-Jährige hat eine jahrelange Haft in einer Strafkolonie verbüßt. Seine Angehörigen und Mitarbeiter warnen seit Monaten, Nawalnys Gesundheitszustand verschlimmere sich zunehmend durch die harten Haftbedingungen. Videos von ihm bei Gerichtsverhandlungen, an denen er per Schalte aus dem Gefängnis teilnahm, zeigten ihn in den vergangenen Monaten stark abgemagert. Nawalny klagte immer wieder über extreme Bauch- und Rückenschmerzen, eine adäquate Behandlung wurde ihm aber nach eigenen Angaben verwehrt.

Nawalnys Anwalt offenbar unterwegs ins Gefängnis

Für die Angaben der Gefängnisverwaltung gebe es "keinerlei Bestätigung", teilte Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch auf der Plattform X mit. "Sobald wir irgendeine Information haben, werden wir es mitteilen." Weitere Kommentare wolle sie zunächst nicht geben, sagte Jarmysch ZEIT ONLINE. 

Nawalnys langjähriger Strategieberater Leonid Wolkow schrieb auf X ebenfalls, er und weitere Mitstreiter des Oppositionellen hätten derzeit keine Möglichkeit, die Angaben über Nawalnys Tod zu bestätigen oder zu widerlegen. Nawalnys Anwalt sei auf dem Weg in die Haftanstalt, in der Nawalny zuletzt einsaß. Etwa zwei Stunden später rief Wolkow auf Telegram auf, der "Staatspropaganda nicht zu glauben." Am Tod Nawalnys bekundete er Zweifel: "Sie haben gelogen, lügen und werden lügen", schrieb Wolkow. "Beeilt euch nicht, Alexej zu beerdigen." Wenn die Nachricht von dessen Tod stimme, dann sei Nawalny nicht gestorben, sondern "Putin hat ihn getötet".

Die unabhängige russische Zeitung Nowaja Gaseta berichtet unter Verweis auf Nawalnys Mutter, sie habe ihren Sohn zuletzt am Montag im Gefängnis besuchen können. "Ich will keinerlei Beileid hören", sagte sie demnach. "Ich habe meinen Sohn in der Strafkolonie am 12. (Februar) gesehen, wir hatten ein Treffen. Er war lebendig, gesund, lebensfroh."

Dmitri Peskow, der Sprecher des russischen Präsidenten Wladimir Putin, teilte laut staatlichen Medien mit, er könne sich zu mutmaßlichen Todesursachen noch nicht äußern. "Das müssen Mediziner irgendwie herausfinden." In russischen Telegram-Kanälen, darunter auch solchen, die Beziehungen zu russischen Sicherheitsdiensten haben sollen, hatten sich Informationen verbreitet, ein Blutgerinnsel sei verantwortlich für den Tod Nawalnys gewesen.

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Putin über Tod Nawalnys informiert – Abgeordnete zur Stille aufgefordert

FSIN, das russische Gefängnisverwaltungssystem, beschäftigte sich mit "allen Prüfungen, Ermittlungen und so weiter", sagte Peskow demnach. Russlands oberste Strafverfolgungsbehörde, das Ermittlungskomitee, berichtete ebenfalls von "komplexen Ermittlungen und operativen Maßnahmen", um Einzelheiten "des Geschehens" zu prüfen.

Der russischen Zeitung Kommersant zufolge sagte Peskow, Putin sei über die Nachricht vom Tod des Oppositionellen informiert. "Ja, es wurde ihm berichtet", habe Peskow eine Frage danach beantwortet. Putin plant heute eine öffentliche Ansprache in einer Fabrik in der Stadt Tscheljabinsk, wo sich auch Peskow aufhält.

Laut dem unabhängigen russischen Onlinemedium Agentstwo hat die russische Regierungspartei Einiges Russland Abgeordnete der Staatsduma dazu aufgefordert, sich nicht zur Nachricht von Nawalnys Tod zu äußern. Sie sollten sich "streng an die Interpretation (des Gefängnisverwaltungssystems) FSIN halten" und "noch besser, auf Kommentare verzichten", zitiert das Portal eine anonyme Quelle in der Partei.

"Putin hat endgültig verstanden, dass er die Liebe seiner Untertanen nicht mehr sehen wird"

Die Nachricht vom Tod Nawalnys kommt an einem in zweierlei Hinsicht bemerkenswerten Zeitpunkt. Sie fällt zusammen mit der Münchner Sicherheitskonferenz, bei der Deutschland ein Sicherheitsabkommen mit der Ukraine geschlossen hat. Auch kam die Mitteilung der Gefängnisverwaltung einen Monat vor der dreitägigen russischen Präsidentschaftswahl zwischen dem 15. und dem 17. März. Mit drei Gegenkandidaten, die von regimetreuen Parteien gestellt werden, hat Putin dabei so wenige Mitbewerber wie noch nie in seiner politischen Karriere.

Der russische Soziologe Abbas Galljamow, Putins ehemaliger Redenschreiber, erwartet Auswirkungen auf die Wahl. "Einerseits, wird der Wunsch, für Putin zu stimmen, bei den Menschen noch kleiner", schrieb er auf Telegram. "Andererseits wird es noch beängstigender, aktiv gegen (das Regime) zu handeln." 

Nawalnys mutmaßlicher Tod werde dem Regime Putins daher mutmaßlich kurzfristig nutzen. "Es ist nicht übertrieben, zu sagen, dass die Wahl endgültig in den Kriegsmodus übergangen ist", schrieb Galljamow. "Putin hat endgültig verstanden, dass er die Liebe seiner Untertanen nicht mehr sehen wird (...), deswegen beschloss er, dass sie ihn dann wenigstens fürchten sollen."

Vergiftung mit Chemiekampfstoff und jahrzehntelange Haft

Nawalny gilt als der prominenteste russische Oppositionelle und bekannteste Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir Putin. 2020 überlebte er eine Vergiftung mit dem international verbotenen sowjetischen Chemiekampfstoff Nowitschok, die er russischen Geheimdiensten zur Last legte. Deren Agenten hatten ihn vor der Vergiftung intensiv überwacht.

In Berlin erholte sich Nawalny von der Vergiftung, die zeitweise lebensbedrohlich war. Bei seiner Rückkehr nach Russland im Januar 2021 wurde er noch am Flughafen verhaftet und seitdem zu immer längeren Haftstrafen, zuletzt zu 19 Jahren wegen angeblichem Extremismus, verurteilt. Im Dezember 2023 brach der Kontakt zu ihm für mehrere Wochen ab, ehe Nawalny in einer Strafkolonie im nördlichen Polarlager wieder auftauchte. Die Bedingungen dort gelten als besonders hart. Seit seiner Verhaftung wurde er immer wieder, zuletzt erst vor wenigen Tagen, wegen Bagatellen zu wochenlanger Einzelhaft gezwungen.

Die Verfahren gegen Nawalny wurden seit Jahren als Schauprozesse gegen Kritiker der russischen Führung gewertet. Er selbst beschrieb das Vorgehen als Versuch, ihn mundtot zu machen. Aus dem Gefängnis heraus rief Nawalny im Vorfeld der russischen Präsidentschaftswahl im März dazu auf, die Abstimmung mit einem stillen Protest zu unterwandern. Seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine im Februar 2022 forderte er ein Ende des Krieges und die Rückgabe russisch besetzter Gebiete an die Ukraine. 

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