Nach Sturz Assads: Syrien wird keinen weiteren Krieg erleben ...

4 Tage vor

Binnen weniger Tage stürzte das Assad-Regime. Nun soll es mit Ruhe und Stabilität weitergehen, kündigen die neuen Herrscher an. Terrorismusforscher Peter Neumann hat seine Zweifel an den versöhnlichen Ansagen.

al-Assad - Figure 1
Foto DER SPIEGEL

11.12.2024, 01.59 Uhr

Milizenführer al-Julani in Damaskus: »Die Menschen sind vom Krieg erschöpft«

Foto: Balkis Press / ABACAPRESS / IMAGO

Angesichts der vielen Frontlinien und Krisen in Nahost ist das eine mutige Ansage: Der Anführer der siegreichen Islamisten in Syrien, Abu Mohammad al-Julani, versichert dem syrischen Volk, dass ihr Land keinen weiteren Krieg erleben werde. »Die Menschen sind vom Krieg erschöpft«, sagte al-Julani bei einem Moschee-Besuch in Damaskus am Dienstag zum Sender Sky News. »Das Land ist also nicht bereit für einen weiteren und wird auch nicht in einen weiteren geraten.«

Mehr Hintergrund über al-Julani finden SIe hier: Der Mann, der Assad stürzte 

In die gleiche Richtung gingen auch die ersten Ankündigungen des neuen Chefs der syrischen Übergangsregierung, Mohammed al-Bashir. In einem Interview mit dem Sender al-Dschasira sagte er, nun sei es für das Volk an der Zeit, »Stabilität und Ruhe zu genießen« und zu wissen, dass die Regierung die Dienste erbringe, die es brauche.

Al-Bashir hatte am Dienstag im Telegram-Kanal des syrischen Staatsfernsehens erklärt, er sei damit beauftragt worden, bis zum 1. März eine Übergangsregierung zu führen. Bislang war al-Bashir der Chef der von der islamistischen Miliz Hajat Tahrir al-Scham (HTS) ausgerufenen Regierung in der Rebellenhochburg Idlib im Nordwesten des Landes gewesen.

»Die Aufgaben der Übergangsregierung bestehen darin, die Sicherheit aufrechtzuerhalten, die Stabilität der Institutionen zu bewahren und den Zerfall des Staates zu verhindern«, sagte al-Bashir bei einem Treffen mit den Ministern der gestürzten Regierung. »Sie bemüht sich auch darum, die Bevölkerung mit grundlegenden Dienstleistungen zu versorgen, bis eine neue syrische Regierung gebildet wird, die den Bestrebungen der syrischen Gesellschaft gerecht wird.«

Kämpfer unter Führung der HTS hatten am Wochenende die Hauptstadt Damaskus erobert und den langjährigen Machthaber Baschar al-Assad gestürzt. Der Einnahme der syrischen Hauptstadt war ein rasanter Vormarsch der Milizen durch das Land vorangegangen. Assad, dem Entführung, Folter und Ermordung von Andersdenkenden vorgeworfen wird, floh nach Russland.

Eine Analyse zum schnellen Erfolg der Aufständischen selen Sie hier: So überrannten die Rebellen das Assad-Regime 

Was will die HTS? Das sagt Terrorismusexperte Neumann

Entwickelt sich Syrien nach dem Machtwechsel nun in Richtung Demokratie und Rechtsstaatlichkeit? Der Terrorismusexperte Peter Neumann hat da seine Zweifel. Zwar habe sich der HTS-Führer vor Jahren vom Terrornetzwerk al-Qaida losgesagt, sagte Neumann im »heute journal« des ZDF. Seine Gruppe sei aber weiter islamistisch mit dem Ziel, eine Art Gottesherrschaft in Syrien einzuführen.

»Seine Kämpfer kämpfen nicht für eine liberale Demokratie. Seine Kämpfer haben für eine Art islamistisches Regime gekämpft«, sagte Neumann. Sein Chefideologe habe vor einigen Jahren die Taliban in Afghanistan zum Vorbild erklärt. Das bedeute nichts Gutes für Minderheiten und Frauen.

Der HTS-Führer müsste eigentlich auf Versöhnung setzen, betonte Neumann, der am Londoner King's College lehrt. Er bezweifele aber, dass seine Kämpfer da mitmachten. Neumann hält es für möglich, dass es dann zu einer Opposition in der eigenen Bewegung kommen könnte.

Israel verfolgt die Entwicklung im Nachbarland Neumann zufolge mit einer Mischung aus Freude und Sorge. Zwar sei es aus israelischer Sicht gut, dass mit dem Sturz von Machthaber Baschar al-Assad ein Iran-Verbündeter und Feind weg sei. Dieser sei aber ein »Teufel, den sie gekannt haben«.

Mehr lesen
Ähnliche Nachrichten
Die beliebtesten Nachrichten der Woche