Absurdes Geschenk: Will Botswana wirklich 20.000 Elefanten nach ...

3 Apr 2024

Elefant in Botswana

Foto: VW Pics / Universal Images Group / Getty Images

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20.000 Elefanten Botswana - Figure 1
Foto DER SPIEGEL

Botswana will 20.000 Elefanten nach Deutschland schicken – diese Nachricht machte am 2. April die Runde. Zunächst berichtete die »Bild« , dann Nachrichtenagenturen und viele Medien im In- und Ausland. Kritische Leserinnen und Leser haben es vermutlich für einen verspäteten Aprilscherz gehalten. Doch die »Bild« zitiert den botswanische Präsidenten Mokgweetsi Masisi mit dem Satz: »Das ist kein Scherz.«

Wird Botswana wirklich Zehntausende Elefanten nach Deutschland transportieren?

Nein, wohl kaum. Es geht dem südafrikanischen Land vermutlich eher darum, mit einer gut gemachten Provokation die Öffentlichkeit aufzuschrecken. (Den Effekt hat die Regierung schon im Fall von Großbritannien getestet, siehe unten). Die »Bild« freut sich über ein Aufregerthema und die zugegebenermaßen hübsche Schlagzeile, die Tiere würden per »Dumbo-Jet«  nach Deutschland geflogen.

Echte diplomatische Bemühungen zur Elefanten-Verschickung gibt es bisher noch nicht, wie eine Sprecherin von Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) auf Anfrage bestätigt. Botswana habe in der Angelegenheit noch keinen Kontakt zum Bundesumweltministerium aufgenommen.

Was steckt hinter der Elefanten-Ankündigung?

Es geht um Jagdtrophäen, genauer gesagt: die Regulierung der Einfuhr von beispielsweise ausgestopfte Tierköpfen. Das im Süden Afrikas gelegene Botswana fürchtet, dass Deutschland die Einfuhr bald komplett verbieten könnte. Das fördere Armut und Wilderei in Botswana und schade dem Land, sagte Präsident Masisi der »Bild«.

Geht es nur um Deutschland?

Tatsächlich ist Deutschland nicht das einzige Land, dem Botswana die Verschickung von Elefanten androht. Nach Angaben der botswanischen Sonntagszeitung »The Patriot on Sunday«  sprach der Umweltschutz- und Tourismusminister Dumezweni Mthimkhulu Ende März davon, 10.000 Elefanten an das Vereinigte Königreich zu verschenken, damit sie dort im Hyde Park grasen können. Die Begründung: Im März stimmte das Parlament in London für ein Verbot der Einfuhr von Jagdtrophäen, wobei das Gesetz noch nicht in Kraft getreten ist. Das Verbot müsse aufgehoben werden, fordert Botswanas Regierung.

Wie ist die rechtliche Lage bei Jagdtrophäen und was soll neu geregelt werden?

Deutschland ist einer der größten Importeure von Jagdtrophäen in die EU. Für manche ist schon heute eine Einfuhrgenehmigung erforderlich, darunter Flusspferd, Löwe, Eisbär. Das bedeutet, dass vor dem Import geprüft wird, ob die Trophäen aus nachhaltiger oder illegaler Jagd stammen. Bei anderen Tieren ist das nicht der Fall, auch wenn diese international geschützt und gefährdet sind, etwa bei Krokodilen, Zebras und Giraffen. Das soll sich bald ändern.

Im Rahmen der EU gibt es Bestrebungen, dass für die Einfuhr von Trophäen weiterer gefährdeter Arten in Zukunft eine Genehmigung zwingend ist. »Wir stehen aufgrund des alarmierenden Verlusts der biologischen Vielfalt in der besonderen Verantwortung, das Möglichste zu tun, um die Nachhaltigkeit und Legalität der Einfuhr von Jagdtrophäen geschützter Arten nach Deutschland sicherzustellen«, sagt die Sprecherin des Umweltministeriums dem SPIEGEL. Über eine Ausweitung der Genehmigungspflichten werde derzeit diskutiert. »Deutschland setzt sich in der EU für eine zügige Entscheidungsfindung ein.«

Wichtig zu wissen: Trophäen des Afrikanischen Elefanten, wie er in Botswana lebt, sind bereits heute bei der Einfuhr in die EU genehmigungspflichtig. Laut Umweltministerium würde sich also im Falle der Elefanten aus Botswana an der bestehenden Praxis gar nichts ändern.

Also viel Lärm um nichts?

Das Bundesumweltministerium betont, dass es in der derzeitigen Diskussion allein um die Ausweitung bestehender Genehmigungspflichten für Jagdtrophäen geht, nicht um ein Komplettverbot der Einfuhr. Doch ganz abseitig ist auch dieses nicht: In Großbritannien etwa wurde nach mehreren Jahren Diskussion im März ein entsprechendes Verbot verabschiedet, wobei das Gesetz noch nicht in Kraft ist. In den EU-Staaten Frankreich und Belgien ist die Einfuhr von Jagdtrophäen bereits verboten, beide Verbote sind erst wenige Monate alt.

Bundesumweltministerin Lemke hatte vor ihrer Ernennung noch genau das gefordert, was von Botswana heute befürchtet wird. »Völlig absurd« sei die legale Einfuhr von Jagdtrophäen geschützter Tiere, während immer mehr Tierarten vor dem Aussterben stünden, sagte sie 2021. »Angesichts der dramatischen Situation beim Artenschwund muss die Bundesregierung handeln und die Praxis von Jagdtrophäen von geschützten Arten stoppen.« Denn neben Zerstörung ihres Lebensraums, Klimakrise und illegalem Handel sei auch legaler Handel für den Rückgang der Tierpopulationen verantwortlich.

Damals war Lemke naturschutzpolitische Sprecherin der Grünen, heute als Ministerin kann sie nicht alles umsetzen, was sie einst aus der Opposition gefordert hat. Lemkes Sprecherin sagt, dass es in der derzeitigen Diskussion in der EU keine nationalen Alleingänge geben werde.

Was ist die Kritik an Jagdtrophäen?

Im Jahr 2022 forderten 14 Tierschutzorganisationen, darunter Pro Wildlife und der Deutsche Naturschutzring, ein Verbot der Einfuhr von Jagdtrophäen bedrohter Tierarten. Trophäenjagd sei »ethisch nicht vertretbar« und widerspreche »grundlegenden Zielen des Natur-, Arten- und Tierschutzes«, heißt es in der gemeinsamen Erklärung (hier als PDF abrufbar ). Sie trage nachweislich zum Aussterben von Tierarten bei und sei auch ökonomisch unbedeutend, heißt es dort unter anderem.

Eine Umfrage von 2021 ergab auch, dass ein Großteil der deutschen Bevölkerung dagegen ist, dass geschützte Tiere abgeschossen werden, allein um eine Trophäe mitbringen zu können. In einer Umfrage des britischen Marktforschungsunternehmens Savanta im Auftrag der Humane Society International lehnten rund 85 Prozent von gut 2000 befragten Deutschen die Jagd auf wilde Tiere in Afrika ab, noch mehr (89 Prozent) waren gegen die Einfuhr von Jagdtrophäen (PDF der Studie ).

Warum wehrt sich Botswana so vehement?

In der »Bild«-Zeitung verweist Präsident Masisi darauf, dass Elefanten in seinem Land gar nicht mehr vom Aussterben bedroht seien: Botswana verfüge durch erfolgreichen Artenschutz inzwischen über mehr als 130.000 Elefanten, so viele wie kein anderes afrikanisches Land. Es gebe eine »Überpopulation« bei stetigem Wachstum. Jagd sei ein wichtiges Mittel, den Bestand zu regulieren. Das sei auch notwendig: Immer wieder würden Menschen von Elefanten angegriffen und totgetreten, Dörfer verwüstet und Ernten vernichtet, sagt der Präsident.

Botswanas Umweltminister Mthimkhulu betonte bei einem Besuch in Deutschland im März, dass die Jagd auf Elefanten für die botswanische Bevölkerung eine wichtige Einkommensquelle sei. Etwa 50 Gemeinden würden pro Jahr mit umgerechnet rund zwei Millionen Euro von der Jagd profitieren. Wenn Deutschland die Einfuhren von Trophäen beschränke, dann wirke sich dies direkt auf die botswanische Bevölkerung aus, die davon etwa Schulgebühren finanziere.

Auch Mpho Mfolwe von der botswanischen Botschaft in Deutschland wirbt um Verständnis. »Botswana befindet sich nicht in einem Jagd- oder Tötungsrausch«, sagt er dem SPIEGEL. »Wir wollen einfach keine weiteren Vorschriften und möchten, dass Deutschland über die Auswirkungen nachdenkt, die dies haben würde.« Es gebe eine von internationalen Stellen festgelegte Quote, wie viele Elefanten im Jahr geschossen werden dürften, und daran halte sich Botswana.

Ein Stopp der Wildtierjagd würde »nicht nur die Wirtschaft bedrohen, sondern auch das Wohlbefinden der Tiere, die geschützt werden sollen«, sagt Mfolwe. Wichtig sei es, dass die Herkunft der Trophäen einwandfrei sei. »Deutschland sollte uns dabei helfen, mit diesen Trophäen zu handeln, anstatt den Handel einzuschränken.«

War Jagd auf Elefanten in Botswana schon immer erlaubt?

Nein, seit 2014 war Trophäenjagd in Botswana verboten. Die Maßnahme sollte den Artenschutz fördern und mehr Urlauber in das südafrikanische Land locken: anschauen statt abknallen. Fünf Jahre später hob das Land die Beschränkungen allerdings wieder auf, unter anderem wegen Druck aus den Dörfern. Die Elefantenpopulation sei ausreichend groß und beeinträchtige die Landwirtschaft, hieß es damals aus dem Umweltschutzministerium. Das Land vergibt nun jährliche Jagdquoten und gibt an, dass die Trophäenjagd eine gute Einnahmequelle für die lokale Bevölkerung darstellt und dass die Jagd lizenziert und streng kontrolliert wird.

Mit Material der Agenturen

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