CDU-Parteitag: Von der Leyen geht auf die Wirtschaft zu

11 Tage vor
Von der Leyen

Für ihre Binnenmarktpolitik und den Green Deal bekam Ursula von der Leyen viel Gegenwind. Zum Endspurt des EU-Wahlkampfs wendet sich die Präsidentin der EU-Kommission jetzt den Unternehmen zu.

Dass Ursula von der Leyen innerhalb ihrer Partei nicht gerade geliebt wird, sollte bei ihrem Auftritt in Berlin keine Rolle mehr spielen. Mit großen Schildern „In love with EU“ wurde die Präsidentin der EU-Kommission von den 1001 Delegierten des CDU-Parteitags empfangen und mit viel Beifall auch wieder verabschiedet. Selbst CSU-Chef Markus Söder, der für ein kritisches Wort zu Europa und zur Brüsseler Bürokratie immer zu haben ist, stand am Ende gemeinsam mit CDU-Chef Friedrich Merz auf der Bühne und applaudierte von der Leyen.

Alles andere wäre zum Start der heißen Phase des Europa-Wahlkampfs gegenüber der Frontfrau der Europäischen Volkspartei EVP auch erstaunlich gewesen.  

Nicht nur die Delegierten der CDU rissen sich zusammen – auch von der Leyen selbst zeigte, dass sie auf dem Weg zur Spitzenkandidatur der europäischen Parteienfamilie EVP ihre Lektion gelernt hatte. Die Kritik an ihrer Politik war nämlich auch innerhalb der Union nicht zu überhören gewesen. Zu viel Green Deal, zu wenig Wirtschaftspolitik, zu viel Bürokratie und zu wenig Reformen am System des europäischen Binnenmarktes – so lauteten die Stichworte. In ihrer Rede ging von der Leyen dann auch auf genau diese Punkte ein.

Der Klimaschutz dürfe nicht zu Lasten der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft gehen, versicherte sie. „Wir wollen, dass unsere Firmen führend bleiben auf den Weltmärkten“. Sie werde alles dafür tun, dass die Unternehmen „Wohlstand in Europa schaffen und nicht am anderen Ende der Seidenstraße“. Unbedingt erforderlich sei dafür auch ein positives Klima für Investitionen, so von der Leyen. Das wiederum hänge stark davon ab, dass die Vollendung der Kapitalmarktunion gelinge. Vor allem aber müsse man „den Unternehmern wieder mehr vertrauen und weniger vorschreiben“.

Verbeugung vor den Bauern

Natürlich durfte nach den heftigen Bauernprotesten in ganz Europa zum Wahlkampfauftakt der EVP auch ein Bekenntnis zur Agrarwirtschaft nicht fehlen. „Es kann nicht sein, dass unsere Landwirte, die mit dem ersten Hahnenschrei aufstehen, ihre Erzeugnisse inzwischen unter den Produktionskosten verkaufen müssen“, rief von der Leyen. Sie werde sich dafür einsetzen, das System der EU-Agrarpolitik so zu verbessern, dass sich die Arbeit der Landwirte wieder lohne.

In den Mittelpunkt ihrer ungewohnt emotionalen Rede, in der sie auf ihre Geburt und Jugend in Brüssel sowie auf die Vielfalt Europas einging, stellte sie die von den politischen Extremen ausgehenden Gefahren. Die AfD sei eine Versammlung von „Kremlknechten, Demokratieverächtern und Extremisten“. Das AfD-Programm, das unter anderem einen Austritt Deutschlands aus der EU fordere, sei ein „Arbeitsplatzvernichtungsprogramm“, sagte von der Leyen. Deutschland werde allein durch den Binnenmarkt jährlich um 130 Milliarden Euro reicher, die meisten Exporte der deutschen Industrie gingen in den EU-Binnenmarkt. Der Wohlstand könne nur mit und nicht gegen Europa erhalten werden.

Warnung vor starker AfD

Obwohl die EVP in den Umfragen vorne liegt, wachsen bei den demokratischen Parteien in Europa die Sorgen vor einem Erstarken der Rechtsradikalen und Populisten. Friedrich Merz sah gar Anlass für eine dramatische Warnung: „Wenn die fortschrittlichen Kräfte in Europa es nicht schaffen, die Mehrheit zu verteidigen“, so der CDU-Vorsitzende, „dann steht bei dieser Europawahl mehr auf dem Spiel als eine parteipolitische Verschiebung. Es geht jetzt darum, das Erbe unserer Freiheit zu verteidigen“.

Da nach Lage der Dinge Ursula von der Leyen nur gewählt wird, wenn sie in EU-Parlament eine Mehrheit hinter sich versammeln kann, ist sie auf Bündnisse angewiesen. Dass sie kürzlich bei einer Podiumsdiskussion ihre Hand in Richtung von Parteien ausstreckte, die wie die rechtskonservative EKR-Fraktion rechts von der EVP stehen, hatte ihr viel Kritik eingebracht. Sie sah deshalb auf dem CDU-Parteitag die Notwendigkeit, noch einmal klarzustellen, dass es Zusammenarbeit nur geben könne mit Parteien, die drei Voraussetzungen erfüllen: „Klares Bekenntnis zur Rechtsstaatlichkeit, klares Bekenntnis zur Ukraine und gegen die Verbrechen des Kreml und ein klares Bekenntnis zu Europa“.

Am guten Willen der Parteifreunde soll ihr Wahlkampf für eine zweite Amtszeit an der Spitze der EU-Kommission jedenfalls nicht scheitern. Das Europawahlprogramm der EVP wurde vom CDU-Parteitag einstimmig beschlossen.

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