Chrupalla bei Lanz – Wie Wackelpudding an die Wand nageln

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Stand: 07.02.2024, 13:13 Uhr

Von: Michael Meyns

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Talkrunde mit Markus Lanz am 6. Februar 2024.

Talkrunde mit Markus Lanz am 6. Februar 2024. © Screenshot ZDF

„Reden mit Rechten“ scheint in diesen Tagen das Motto der Talkshows zu sein. Erneut wird bei Lanz einem Vertreter der AfD die Bühne geschenkt. Eine Kritik.

Hamburg – Diesmal war Tino Chrupalla zu Gast bei Markus Lanz im ZDF. Dessen Besuch war ein Paradebeispiel dafür, wie schwierig es ist, sinnvoll mit Vertretern der AfD zu diskutieren.

Deutschland „sei nicht mehr wettbewerbsfähig“, sagten unlängst die amtierenden Minister Christian Lindner (FDP) und Robert Habeck (Grüne). Aus Sicht des AfD-Co-Vorsitzenden Tino Chrupalla ein Eingeständnis, dass die AFD recht habe. So kann man sich die Realität natürlich auch zurechtbiegen.

Gewagte Aussagen zu Höcke

Auch rechtsextrem sei die AfD nicht, selbst Björn Höcke, den der Verfassungsschutz als Rechtsextremisten einstuft und bereits seit 2020 überwacht, ist laut Chrupalla diesbezüglich unbedenklich. Denn, so einfach ist das, die AfD unterstütze die freiheitlich demokratische Grundordnung.

Schon in diesen ersten Momenten der Talkrunde von Markus zeigte sich paradigmatisch, wie schwierig, um nicht zu sagen unmöglich, vielleicht auch sinnlos es ist, sich mit einem Politiker wie Tino Chrupalla auseinanderzusetzen. In über Jahre verfeinerter Gewandtheit, drehte der AfD-Vertreter konkrete Fragen um, wich aus, wollte mal dieses nicht gesagt haben oder behauptete, dass jenes aber eigentlich ganz anders gemeint gewesen sei.

Chrupalla verteidigt Weidels Wutrede

Was denn überhaupt rechtsextrem sei, fragte Chrupalla seinerseits den Moderator. Lukas Rietzschel, Schriftsteller aus Räckelwitz bei Görlitz, merkte an, dass der Begriff inzwischen so wahllos benutzt wird, dass er manches an Schärfe verloren hat. Und dann ging es im üblichen Stil weiter: Eine Verrohung der Sprache prangerte ausgerechnet Chrupalla an. Ein Punkt, bei dem man ihm grundsätzlich zustimmen könnte, der aber natürlich aus dem Mund des AfD-Chefs vollkommen absurd wirkt.

Vor einigen Tagen sagte Chrupallas Co-Chefin Alice Weidel im Bundestag, dass die Regierung Deutschland hasse. Von der Meinungsfreiheit sei so eine Aussage abgedeckt, sagte Chrupalla dazu. Auch das nicht falsch, aber doch am eigentlichen Kern der Sache vorbei. Solcher Extremismus sollte im höchsten Haus des Landes eigentlich tabu sein, aber die AfD hat stark – wenn auch sicherlich nicht allein – dazu beigetragen, dass solch eine Sprache salonfähig wurde.

Markus Lanz bemüht sich um Differenzierung

Dann begann Chrupalla damit, dass es für ihn ermüdend ist, dass er und andere AFD-Politiker seit Jahren immer wieder für bestimmte Aussagen zur Rechenschaft gezogen werden. Aussagen, von denen sich seine Kollegen schon längst distanziert haben. Die AFD habe dazugelernt, behauptete Chrupalla bei Markus Lanz im ZDF.

Dabei unterschlug er allerdings, dass regelmäßig neue problematische Aussagen dazu kommen. Im Versuch, eine differenzierte Diskussion zu führen, wies Lanz darauf hin, dass man in Bezug auf die AFD nicht pauschalisieren sollte. Was Rietzschel auch auf die Wähler oder Sympathisanten der AfD ausbaute, die nicht automatisch mit jeder extremistischen Position der AfD übereinstimmen müssten.

Am Rande geht es bei Markus Lanz um die Wirtschaft

Doch das eigentlich Thema der Sendung sollte die Wirtschaft sein, wo es in Deutschland ganz offensichtlich hapert und wo die AfD Hilfe verspricht. Bekanntermaßen lässt sich aus der Opposition viel versprechen, ob die AfD ihre Pläne auch in Taten umsetzen könnte, will man lieber nicht ausprobieren.

Wie es auch geht, davon berichtete der CDU-Politiker Claus Ruhe Madsen, schleswig-holsteinischer Vielfach-Minister: Den Ressorts Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus steht Madsen vor und berichtete von der Ansiedlung einer neuen Batteriefabrik, die weltweit konkurrenzfähig sein soll. „Wir sollten in Deutschland etwas optimistischer sein, wir reden immer über Schuldenbremse, über Sparen, und nicht darüber, wie wir das Land nach Vorne bringen können“, so Madsen. Allein am Pessimismus, einer allzu zweifelnden Haltung liegt es sicher nicht, dass Deutschlands Wirtschaft leicht schrumpft, aber ein wenig positive Energie und keine Weltuntergangsstimmung wären nicht verkehrt.

Ohne Zuwanderung wird es wirtschaftlich allerdings nicht funktionieren, was die AfD einerseits sicher weiß, aber andererseits auch ablehnt. Widersprüche zwischen Parteiprogramm und Aussagen ihrer Politiker gibt es da viele. Bei Lanz war Chrupallas Position, dass Freizügigkeit innerhalb von Europa wünschenswert sei, darüber hinaus allerdings nicht. Vor allem verlangt Chrupalla Kenntnisse der deutschen Sprache als Voraussetzung, womit die Zuwanderung für sehr viele schon unmöglich wäre.

Markus Lanz im ZDFDie Gäste der Sendung vom 6. Februar 2024Tino ChrupallaAfD-Co-VorsitzenderFranziska KlemenzJournalistinClaus Ruhe MadsenCDU-PolitikerLukas RietzschelSchriftsteller

Auch der aus Dänemark immigrierte Madsen wäre so gescheitert. Er hat erst im aktiven Berufsleben die deutsche Sprache erlernt, und es inzwischen weit gebracht. Ob solch eine Karriere unter einer AfD-Regierung möglich wäre, darf man bezweifeln. Einen Ansatz propagierte Chrupalla: Die Verwaltung verschlanken, Beamte entlassen und umschulen. Auch ein nicht völlig abstruser Vorschlag, der aber nur schwer umzusetzen ist. Und genau das ist eines der vielen Probleme der AfD-Positionen: Nicht völlig weltfremd, aber kaum machbar und sich oft widersprechend.

Aneinanderreihung von Nichtigkeiten, Floskeln und Verschwörungstheorien

Sich auf Positionen festzulegen und diese dann auch konsequent vertreten, das fiel nicht nur Chrupalla bei Markus Lanz im ZDF schwer – das ist die Spezialität der AfD bei öffentlichen Auftritten. Als würde man versuchen, Wackelpudding an die Wand zu nageln. So wirkte der Umgang mit Chrupalla bei Lanz. Der Rechtsaußen, wich aus, verweigerte sich, drehte und wendete sich.

So gelang es ihm, die Sendezeit mit einer fast schon bemerkenswerten Aneinanderreihung von Nichtigkeiten, Floskeln und Verschwörungstheorien herumzubekommen. So fasziniert schien Lanz von der Aufgabe, diesen Mann auf klare Positionen festzunageln, dass er seinen vierten Gast, die Journalistin Franziska Klemenz, fast völlig vergaß. Dass mit ihr, Rietzschel und Madsen gleich drei AfD-Kritiker bei Markus Lanz zu Gast waren, wird von AfD-Anhängern in den Sozialen Medien ganz ohne Frage zum üblichen Opfernarrativ hochgejazzt werden. Drei, mit Lanz sogar vier gegen einen. In dieser Underdog-Rolle sieht sich die AfD am liebsten, da fühlt sie sich wohl. Man darf im Sinne des Landes hoffen, dass es dabei bleibt und sich die Mehrheitsverhältnisse nicht ändern. (Michael Meyns)

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