Reinhold Würth schreibt Appell gegen die AfD an seine Mitarbeiter

Familienunternehmer Schraubenmilliardär Würth schreibt Appell gegen die AfD an Mitarbeiter

Reinhold Würth AfD - Figure 1
Foto Capital - Wirtschaft ist Gesellschaft

Reinhold Würth machte aus dem Schraubenhandel seines Vaters einen Milliardenkonzern

Die Unternehmerlegende hat im Leben mehr als 190.000 Briefe verfasst – und nummeriert. In seinem 192.542. warnt Würth vor der AfD und fragt, ob es Deutschland zu gut geht

Jahrzehntelang galt im hohenlohischen Schraubenimperium die Regel, dass sich das Unternehmen Würth zu politischen Themen neutral verhält und keine Wahlempfehlungen gibt. Nun hat Patriarch Reinhold Würth höchstpersönlich mit diesem ehernen Gesetz gebrochen – und will mit einem fünfseitigen Schreiben seine 27.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Deutschland davon überzeugen, nicht die AfD zu wählen. 

Der Brief, den Würth selbst als „außergewöhnliche Nachricht“ bezeichnet, liegt Capital vor. „Bloß wegen ein bisschen Spaß an der Freude Rabatz zu machen und aus Unmut über die Ampelregierung die AfD zu wählen, ist einfach zu wenig“, schreibt der 88-jährige Unternehmer aus Künzelsau. Den Millionen Menschen, die zuletzt protestierend für die Demokratie auf die Straße gegangen seien, schließe er sich an.

Parallelen zur Endzeit der Weimarer Republik, die derzeit mit Blick auf den Zulauf zur AfD von vielen gezogen würden, bezeichnet Würth als „absoluten Unsinn“. Damals hätten sich die Deutschen durch Hyperinflation und „riesengroße Arbeitslosigkeit“ in einer „bittertiefen Notsituation“ befunden, schreibt er – und macht in den folgenden Absätzen klar, wie gut es den Menschen in Deutschland seiner Meinung nach geht: Niemand müsse hungern oder frieren, die Bürger könnten „wohl etabliert ein eher freiheitliches Leben leben“, gäben viele Milliarden für Urlaubsreisen aus, profitierten von einem guten Gesundheitssystem und hätten kürzere Arbeitszeiten als in vielen anderen Ländern. Vielleicht, fragt der Unternehmer, gehe es dem Land einfach zu gut?

Reinhold Würth AfD - Figure 2
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Jeder könne den Bundeskanzler einen "Dummkopf" nennen

„Wir haben solche Freiheit“, schreibt der Unternehmer: „Jeder kann sagen ‚Bundeskanzler Scholz ist ein Dummkopf‘“ – und wandere dafür nicht ins Gefängnis. Zwar renne die Ampelregierung in vielen Teilen „wie ein Hühnerhaufen“ durcheinander, bringe aber dennoch das „eine oder andere positive Gesetz auf den Weg“. Er selbst habe großen Respekt vor Bundeskanzler Olaf Scholz, „weil er die Taurus-Marschflugkörper nicht aus Deutschland herausgibt“. „Ich appelliere an jede Bürgerin und jeden Bürger und auch an Sie, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, überlegen Sie, wem Sie bei den verschiedenen Wahlen Ihre Stimme geben“, heißt es weiter in dem Schreiben.

Die Stimmung in Deutschland ist ziemlich mies – dabei ist die Lage gar nicht so übel, sagen Firmen, Manager und Gründerinnen wie Roland Berger, Reinhold Würth und Ann-Christin Achleitner

Würth reiht sich mit seinen deutlichen Worten in eine ganze Reihe von Managern und Unternehmerinnen ein, die sich zuletzt gegen Rechtsextremismus positioniert haben, darunter VW- und Porsche-Chef Oliver Blume, SAP-CEO Christian Klein und Weleda-Chefin Tina Müller. Zuvor war das große Schweigen aus der Wirtschaft angesichts des Erstarkens der AfD und rechtsextremer Positionen immer wieder kritisiert worden. 

Reinhold Würth AfD - Figure 3
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Würths Briefe sind geachtet und gefürchtet. Dieser trägt Nummer 192.542

Dass Würth für seinen Appell die Form des Briefes gewählt hat, ist kein Zufall: Der Unternehmer ist ein passionierter Briefeschreiber und wendet sich regelmäßig schriftlich an seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch an seine Familie. Seine Schreiben werden im Unternehmen und der Familie geachtet und gefürchtet. Dass er seine Briefe nummeriert, hatte er Capital bereits in einem Drei-Generationen-Interview im Jahr 2022 verraten. „Standard ist der Brief, das ist bei mir Tradition“, sagte Würth. Damals war er nach eigenen Angaben bei 189.000 Schreiben, der Anti-AfD-Brief trägt nun die Nummer 192.542.

Normalerweise geht es in den Schreiben des Patriarchen aber eher nicht um die große Politik. Oft sind strategische Fragen Thema, bisweilen auch Banalitäten – zum Beispiel nicht gelüftete Räume in einer Repräsentanz oder kaputte Seifenspender. „Das ist unangemessen für unser Haus und gibt dann einen Brief“, sagte Würth im Capital-Interview. Post vom Chef, der 1949 in den Zweimannbetrieb seines Vaters eingestiegen war, daraus einen Milliardenkonzern formte und heute den Stiftungsaufsichtsrat leitet, sind die Würth-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter also gewöhnt.

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