Friedrich Merz: Warum der CDU-Chef auf dem Parteitag langweilte

13 Tage vor

Ein Feuerwerk war das nicht: Friedrich Merz, Mr. Klartext der CDU, hält auf dem Parteitag eine überraschend dröge Rede. Dahinter steckt womöglich eine Idee. Die Blitz-Analyse.

Friedrich Merz - Figure 1
Foto STERN.de

So viel wird schon vor der Rede des CDU-Chefs deutlich: Die Choreografie des Parteitags stimmt. Direkt vor Friedrich Merz spricht Kai Wegner, Regierender Bürgermeister von Berlin. Gastgeber Wegner gelingt es, die 1001 Delegierten gekonnt noch einmal kurz zurück in den Schlaf zu schicken. Er mäandert ein bisschen durch die Bilanz seiner Stadtregierung. Es ist zum Gähnen. Aber für Merz ist das natürlich super. Das Feld ist bereitet. Der Saal wartet nun sehnsüchtig auf ein paar mitreißende Sätze für die christdemokratische Seele. 

Und? Hat Merz geliefert? Hier die wichtigsten Erkenntnisse der Rede in der stern-Blitz-Analyse:

Kein Blick zurück

Merz beginnt seine Rede mit sanfter Nabelschau. Der Blick geht nach vorn, klar. Der CDU-Chef lobt das "neue Selbstbewusstsein" seiner Partei. "Mit diesem Programm sind wir sofort bereit, wieder Regierungsverantwortung für Deutschland zu übernehmen." Damit ist die Flughöhe schnell erreicht: Das hier ist nicht nur ein Parteitag, nein, es ist die Auftaktveranstaltung der Operation "Zurück ins Kanzleramt".

Der "kurze Blick zurück", wie Merz es nennt, geht nur zwei Jahre zurück. Also nur so weit, wie die Ära Merz schon dauert. Merz lobt Parteifreunde quer durch alle unteren Ebenen. Das kommt immer gut, erstmal an die Basis denken. 

So viel Staatsmann wie nötig, aber noch keine Kanzler-Rede

Merz tritt gewohnt staatsmännisch auf, aber er übertreibt es nicht. Er wirkt nicht nervös, spricht verständlich – und bleibt ganz klassisch im Ton der CDU. Pflichtschuldig geht er Thema für Thema durch, von Bürgerld (abschaffen!) bis Klimaschutz ("Geisterfahrt beenden!"). Merz erinnert an die Erfolge der Vergangenheit, zitiert Ludwig Erhard, Norbert Lammert, Helmut Kohl und Wolfgang Schäuble. Er kritisiert die Staatsgläubigkeit der anderen und fordert eine "Agenda für die Fleißigen".

Friedrich Merz - Figure 2
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Ja, das hat man alles schon einmal gehört. Das ist wenig überraschend. Da ist wenig Eigenes dabei. Andererseits, so lautet wohl seine Idee: Überraschungen bekommen die Deutschen von der Ampel schon genug. Merz will einen Gegenentwurf anbieten. Verlässlichkeit, Prinzipien, Ordnung. Er kann sich des Vertrauens seiner Partei sicher sein, nun wirbt er um das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler. Frei nach dem Arbeits-Philosophen Stromberg: Lasst das mal den Papa machen! 

Friedrich Merz merkelt

Merz ist CDU-Chef geworden, um die Partei kantiger zu machen, streitbarer. Lange spielte er den personifizierten Gegenentwurf zu Angela Merkel. In seiner Rede ist davon nicht sehr viel zu hören. Merz nennt die Altkanzlerin nicht beim Namen, wirkt aber zuweilen, als habe er bei ihr einen Workshop in gepflegter Langeweile belegt. Er streift die innere Sicherheit, ohne zu sehr wie ein Sheriff zu wirken, fordert Reformen bei staatlichen Leistungen, ohne zur sozialpolitischen Revolution zu blasen, kritisiert die Ampel, ohne sich pausenlos an ihr abzuarbeiten. 

Hat die CDU ein Merz-Problem?

05:19 min

Merz gibt sich mal konservativ, mal sozial, mal liberal, macht also just das, was viele seiner eingefleischten Fans Merkel immer vorwarfen. Hat Merz einen schlechten Tag? Kann sein. Womöglich ist es aber auch einfach Kalkül. Die Zeiten haben sich auch für Merz geändert. Als er vor drei Jahren um den Vorsitz kämpfte, brauchte er eine disruptive Erzählung. Jetzt, wo er die Union Richtung Kanzleramt führen will, darf er nicht den Eindruck erwecken, als wolle er alles verändern. Jetzt muss er die Volkspartei in ihrer ganzen Breite verkörpern.

Friedrich Merz umarmt die internen Kritiker

Ein Frage vor der Rede lautete: Wie würde Merz auf die parteiinterrne Konkurrenz reagieren? Auf den schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther etwa, der kurz vor dem Treffen seine Partei noch einmal aufgefordert hatte, mehr Merkelschen Mitte-Kurs zu wagen. Oder auf NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst, der bestenfalls halbherzig Gerüchte dementiert, er könne sich selbst eine Kanzlerkandidatur vorstellen.

Im Estrel-Hotel entscheidet sich Merz für die Umarmungsstrategie. Gleich zu Beginn seiner Rede feiert er ausgiebig jene Parteifreunde, "die Wahlen gewonnen haben". Als erstes nennt er Günther und Wüst, dekliniert dann durch, von der Länderebene bis in die Kommunen hinein, hin etwa zu Christian Herrgott, der sich bei der Landratswahl im Saale-Orla-Kreis knapp gegen den AfD-Mitbewerber durchgesetzt hatte.   

Auch die Bundestagsabgeordnete Serap Güler, die Merz einem "Spiegel"-Bericht zufolge vor Monaten noch aus Empörung über ihre vermeintliche Illoyalität anschrie, wird von ihm lobend erwähnt. Explizit dankt der Parteichef ihr und dem Thüringer CDU-Chef Mario Voigt "für tolle, intensive, kollegiale und freundschaftliche Arbeit" am Grundsatzprogramm. Merz, der Versöhner. Damit nimmt er den Gegner auf dem Parteitag den Wind aus den Segeln.

Verbale Streicheleinheiten gibt es auch für CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Wie praktisch, dass dieser nicht als größter Freund von CSU-Chef Markus Söder gilt, der Merz immer mal wieder mit kleinen Schmutzeleien aus München beehrt.

Söder kommt übrigens morgen.

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