Streit um Erwin Müllers Erbe: Der Drogeriekönig hat alles, nur ...

13 Tage vor

Unternehmer Erwin Müller: Adoptivkinder bringen ihn vor Gericht

Foto: G. Chlebarov / VISTAPRESS / IMAGO

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Erwin Müller - Figure 1
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Diskretion ist eigentlich das oberste Gebot, wenn es um die Verteilung eines milliardenschweren Erbes geht. Doch wenn zu viele Leute und Emotionen im Spiel sind, dann kann es zum großen Knall kommen. Genau das ist Erwin Müller passiert.

Der milliardenschwere Drogerieunternehmer soll an diesem Montag vor dem Landgericht Ulm erscheinen. Drei erwachsene Adoptivkinder klagen  gegen den 91-Jährigen und seine Frau Anita. Sie fordern den Pflichtteil des Erbes. Berichten zufolge soll es um eine dreistellige Millionensumme gehen.

Das Gericht hat das Erscheinen aller Prozessbeteiligten angeordnet. Entsprechend groß ist das öffentliche Interesse. Das Landgericht hat für den Zivilprozess mit dem Aktenzeichen 2 O 189/23 extra den größten Sitzungssaal reservieren lassen, eigentlich werden dort Strafverfahren abgehalten.

Das Ehepaar Müller dürfte dort den drei Menschen gegenübersitzen, denen sie eigentlich eine für alle Beteiligten zufriedenstellende Rolle im Erbpoker zugedacht hatten.

Beide Seiten könnten sich zu Beginn des Termins noch gütlich einigen. Gelingt das nicht, kommt es direkt zur mündlichen Verhandlung. Dann würden die Umstände der Adoption und des Erbstreits offengelegt.

Der leibliche Sohn wurde ausbezahlt

Das Adoptiv-Trio und Müller sollen sich laut manager magazin über die Jagd kennengelernt haben. Bereits 2015 beschloss Müller, die erwachsenen Jagdfreunde zu adoptieren. Es soll sich um zwei Brüder und die Ehefrau von einem der Männer handeln.

Dabei hat Müller einen 1959 geborenen leiblichen Sohn aus erster Ehe. Reinhard Müller arbeitete sogar unter seinem Vater zeitweise in der Führung des Drogeriekonzerns mit. Müller senior gilt als detailversessener Workaholic, die Zusammenarbeit mit seinem Sohn funktionierte nicht. Reinhard Müller schied aus dem Unternehmen aus und wurde später vom Vater abgefunden.

Erwin Müller - Figure 2
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In den finanziellen Verhandlungen mit seinem leiblichen Sohn könnte die Adoption der Jagdfreunde für Müller eine strategische Rolle gespielt haben – so legt es zumindest der Anwalt der Adoptierten nahe.

Auslöser deren Klage soll demnach der 90. Geburtstag des Drogeriekönigs gewesen sein. Bei der Feier sollen es die Adoptivkinder nicht an den Ehrentisch des Jubilars geschafft haben. »Meine Mandanten fühlten sich aus der Familie gedrängt«, sagte ihr Anwalt Maximilian Ott der »Bild«-Zeitung. »An diesem Tag ist ihnen klar geworden, dass sie ausgenutzt wurden, um Druck auf Reinhard Müller auszuüben, der daraufhin mit einer geringeren Abfindung das Unternehmen verlassen hat.«

Reinhard Müller wurde laut manager magazin mit einem mittleren dreistelligen Millionenbetrag abgefunden, verzichtete auf den Pflichtteil und gab seinen Anteil von 35 Pro­zent am väterlichen Unternehmen zurück.

Den Vertrag, in dem die drei Adoptierten ebenfalls auf ihren Pflichtteil verzichtet haben, wollen diese nun für unwirksam erklären lassen. »Wir greifen den Pflichtteilverzichtsvertrag an, weil wir ihn für sittenwidrig und formnichtig halten«, erklärte ihr Anwalt Ott. Die drei Kläger selbst wollten sich vor dem Prozess nicht äußern.

Berichten zufolge bekamen die Adoptivkinder eine finanzielle Entschädigung, auch eine Finca auf Mallorca und weitere Schenkungen wurden ihnen versprochen. Im Gegenzug sollen sie auf ihren Pflichtanteil verzichtet haben. Damit bestünde über den Vertrag hinaus kein Anspruch mehr auf das Erbe.

Müller mit Gattin Anita: »Menschlich sehr enttäuscht«

Erwin Müller - Figure 3
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Müllers Anwälte argumentierten dem manager magazin zufolge im Vorfeld des Prozesses, die Klage der Adoptivkinder sei verfristet und unbegründet. Das Motiv sei klar: »Geldgier«. Dem Ehepaar Müller sei vorgespiegelt worden, »dass die Kläger ungeachtet der Adoption keine finanziellen Interessen verfolgten«.

Die Idee, mit einer Adoption viel Geld zu sparen oder den Pflichtteil von Erben zu reduzieren, ist unter Vermögenden durchaus verbreitet . Auch der französische Hermès-Erbe Nicolas Puech machte damit Schlagzeilen. Ebenso der Kaffeeunternehmer Albert Darboven, dem aber sein leiblicher Sohn einen Strich durch die Rechnung machte.

Wer bekommt den Zugriff aufs große Erbe?

Erwin Müller könnte nun zum Verhängnis werden, dass er die Adoption durchgezogen hat. Beim Aufbau seines Imperiums bewies Müller viel Geschick. Doch umso schwerer fällt es ihm offenbar, die Leitung abzugeben und seine Nachfolge zu regeln.

Als gelernter Friseur richtete Müller 1953 in der elterlichen Wohnung im schwäbischen Unterfahlheim seinen ersten Salon ein, den er später nach Neu-Ulm verlegte. 1966 kam er auf die Idee, im Salon auch Kosmetik und Drogerieartikel anzubieten. Laut Firmenchronik erkannte Müller 1969 bei einer Rundreise durch Kanada und die USA das Potenzial von Drugstores, also Waren des täglichen Bedarfs in großen SB-Warenhäusern anzubieten. 1973 eröffnete er demnach in Ulm schließlich seinen ersten reinen Drogeriemarkt.

Müller-Filiale: Ein Imperium aufgebaut

Foto: Sebastian Konopka / Funke Foto Services / IMAGO

Heute hat die Drogeriekette rund 35.000 Mitarbeiter und macht online und mit mehr als 900 Filialen in Europa rund fünf Milliarden Euro Umsatz pro Jahr.

Doch was dem Drogeriekönig Müller fehlt, ist ein Erbprinz. Zeitweise hatte ein früherer Konzertveranstalter aus Österreich viel Einfluss, der für Müller eine Stiftung aufbaute und sich dabei laut manager magazin selbst eine große Machtfülle zuschanzte. Dann schien der Manager Günther Helm der Auserkorene zu sein. Doch der frühere Aldi-Manager musste 2023 den Konzern verlassen.

Als einflussreich gilt inzwischen Clarissa Käfer. Die Ehefrau des Münchner Feinkosthändlers Michael Käfer ist Vorstandsmitglied von Müllers Privatstiftungen und soll eine Vertraute von Müllers Ehefrau Anita sein.

Das Tagesgeschäft indes übernimmt Müller lieber selbst. Auch mit 91 Jahren läuft bei der Drogeriekette nichts ohne ihn.

Mit Material der Nachrichtenagentur dpa

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